Mit gewaltfreier Kommunikation gegen Burnout
Die Sprache des Herzens
Burnout hat sich zu einem regelrechten Volksleiden entwickelt. Gewaltfreie Kommunikation kann helfen, dass es garnicht erst soweit kommt.
„Es geht um achtsame Kommunikation,“ sagt Tatjana Nuding und blickt lächelnd in die Runde. Die zierliche, dunkelhaarige Frau hat einen Filzstift in der Hand und schreibt damit auf ein großes Stück Papier an der Wand. Ihr gegenüber im hellen Seminarraum sitzen sieben Teilnehmer, alles Frauen, darunter zwei Studentinnen Mitte zwanzig, eine Psychologin und eine Juristin, die für ein Inkasso-Unternehmen arbeitet, beide in ihren Fünfzigern. Sie alle haben sich für das Seminar „Grenzen setzen und Bedürfnisse ausdrücken“ der diplomierten Soziologin im Burnout Zentrum München (BOZM) angemeldet.
Die eigenen Bedürfnisse über gewaltfreie Kommunikation ausdrücken
„Jemand, der nahe am Burnout ist, der verliert den Kontakt zu sich selber. Der ist nicht mehr im Kontakt mit seinen Bedürfnissen, der spürt nicht mehr richtig, was er eigentlich braucht, was sein Körper braucht, was seine Psyche braucht, was seine Seele braucht letztendlich,“ erklärt Tatjana Nuding. „Beispiel: Wer wirklich sehr stark unter Stress ist, der nimmt nicht mehr wahr wann er Hunger hat, der vergisst zu essen, der vergisst zu schlafen, der vergisst auch rauszugehen, sein Bedürfnis nach Luft und Bewegung zu spüren. In der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg geht es darum, die eigenen Bedürfnisse wieder wahrzunehmen und ihnen wieder Ausdruck zu verleihen und dafür zu sorgen, dass die Bedürfnisse erfüllt werden, indem ich auch eine Bitte an den anderen äußere.“ Das funktioniert in vier Schritten, wie Nuding uns Teilnehmern erklärt.
Beobachten, nicht bewerten
Der erste Schritt ist die Beobachtung, und die muss wertneutral formuliert werden. „'In deinem Zimmer liegen Gegenstände herum', das wäre eine Beobachtung“, sagt die Soziologin. Sie warnt uns vor Anschuldigungen oder Bewertungen. Vorsichtig sollen wir auch mit Begriffen wie 'nie', 'immer' und 'ständig' sein. „Das sind diese kleinen Nuancen, auf die ihr achten müsst“. Geübt wird anhand von Beispielsätzen auf einem Arbeitsblatt: 'Du arbeitest zu viel' - Ist das jetzt eine Beobachtung oder schon eine Anschuldigung? Eine kleine Diskussion folgt und wir einigen uns auf die Anschuldigung. Das 'zu viel' ist eindeutig wertend, so der einstimmige Beschluss. „Nur die Kamera oben ist objektiv,“ seufzt eine Teilnehmerin.
Gefühle eindeutig zum Ausdruck bringen
Der zweite Schritt ist das Gefühl, und zwar ein Primärgefühl wie Trauer, Wut, oder Freude. „'Ich fühl mich ausgenutzt' ist kein Primärgefühl, sondern eine Unterstellung mit der Botschaft, du nutzt mich aus,“ erklärt Nuding. „Es geht darum, die Angriffsflächen klein zu halten,“ muntert sie uns auf und kommt dann zum dritten Schritt, dem Bedürfnis. „Das ist das zentrale Element der gewaltfreien Kommunikation,“ sagt sie. „Ein Gefühl ist oft ein Signal dafür, dass ein Bedürfnis nicht befriedigt ist.“ Wieder üben wir, das Bedürfnis positiv und nicht als Anschuldigung zu formulieren. Richtig schwer wird es beim letzten Schritt, der Bitte. „Hier geht’s darum, keine Strafe anzudrohen, sondern eine Bitte zu formulieren,“ sagt Nuding. „'Ich hätte gerne, dass du dich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hältst' ist eine Bitte, 'Bitte respektiere meine Privatsphäre' dagegen lässt zu viel Raum für Missverständnisse.“
Die Muster durchbrechen
Zum Schluss suchen wir nach Beispielen, an denen wir das Gelernte anwenden können. Auf einem Tisch in der Mitte stehen Kekse für alle. Eine Teilnehmerin erzählt von ihrem Ehemann, der sein Bett morgens nicht macht. Verständnisvolles Nicken in der Runde. „Die gewaltfreie Kommunikation ist eine Chance, aus eigenen Mustern auszusteigen,“ sagt Nuding. Sie kann zumindest ein erster Schritt sein. „Wer immer das gleiche tut und andere Ergebnisse erwartet, ist ein Narr,“ pflichtet ihr die Juristin bei.
Bildquelle: bored-now unter CC BY-NC-ND 2.0