March for Science
Im Kittel auf die Straße
Wissenschaftler auf der ganzen Welt demonstrieren gegen Fake News. Beim Protestmarsch in München wird ein unpolitischer Berufsstand plötzlich politisch.
Das Münchner Siegestor hat schon einige Kundgebungen erlebt. Aber auch eine, bei dem die Ordner in Laborkitteln unterwegs sind? Bei dem kaum Politiker und stattdessen Wissenschaftler die Reden schwingen? Der March for Science macht schnell klar, dass es sich bei ihm nicht um einen klassischen politischen Protest handelt - vielleicht auch gerade deswegen, weil viele der Demonstranten dahinter bis vor kurzem noch gar nicht politisch aktiv waren.
Gemeinsam gegen "Fake News"
Für einige Wissenschaftler ist ihr Berufsstand per Definition unpolitisch und sollte deshalb auch nicht am gesellschaftlichen Tagesgeschehens interessiert sein. Doch im Angesicht des weltweit aufsteigenden Rechtspopulismus sehen viele Forscher ihren ganzen Berufsstand unter Beschuss. Ihre Appelle am March for Science richten sich nicht wie andere Protestzüge gegen die Mächtigen oder Randgruppen, sondern gegen Konzepte wie "Fake News" und "Alternative Fakten". Mehr Wissen, weniger Meinung - eine so simple These, dass sich CSU-, Grünen-, und Nichtwähler gemeinsam dahinter stellen können.
Here we are, happy and proud @ScienceMarchMUC! #ScienceMarch #earthday2017 pic.twitter.com/ulyCPAKPv3
— valentina (@sketchpyl) 22. April 2017
Einziger Marsch in Bayern
Laut den Veranstaltern waren in München bis zu 5000 Menschen auf der Straße, die Polizei spricht von 3000. Über den Globus sind 500 Kundgebungen geplant, manche besser, manche weniger gut besucht. Anlass ist der Earth Day am 22. April, ein weltweiter Aktionstag für Umweltschutz. Der Münchner Marsch ist der einzige in Bayern und lässt unter anderem Münchens zweiten Bürgermeister Josef Schmid, diverse Professoren von LMU und TU und den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft Martin Stratmann zu Wort kommen.
Jetzt ist es aber voll. Nach einer Chemikerin ein KWler, dann ein Latein Dozent. Alle Fachrichtungen dürfen mal #marchforscience #münchen pic.twitter.com/BxX8mZZmFk
— Vinzent Leitgeb (@VinzentLeitgeb) 22. April 2017
Demokratie in Gefahr?
Die Reden und Botschaften klingen so grundsätzlich wie möglich. Selbst beim Thema Umweltschutz plädoyiert Stratmann nicht für konkrete politische Handlungen, sondern dafür, wissenschaftliche Erkenntnisse bei wichtigen Entscheidungen zu berücksichtigen. Etwas, das für die Demonstranten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. "Vor einem Jahr hätte ich nicht gedacht, dass ich mal für so etwas auf die Straße gehen würde", sagt Manuel, ein Münchner Student Mitte 20. Er sieht nicht nur die Wissenschaft, sondern die Demokratie als Ganzes in Gefahr.
Ob Manuel wohl auch abseits des Marsches viel mit den anderen Demonstranten übereinstimmen würde? Bei einer so allgemeinen Botschaft kommt es schon vor Ort zu Meinungsverschiedenheiten. Neben den "Wissenschaft statt Willkür"- und "Science not Silence"-Schriftzügen ist am Siegestor auch eine ältere Frau zugegen. Auf ihrem Schild steht: "Mobilfunk schädigt Bäume - Forschung wird verboten". Als es ans Fotomachen geht, wird sie von einer anderen Frau zur Seite gedrängt. "Dafür stehen wir nicht!", ruft sie, etwas aufgebracht. Beim March of Science gibt es für fast jeden Platz - aber nicht für Verschwörungstheorien.