Warum Körperflüssigkeiten mit einem Tabu belegt sind
Ist ja eklig...
Zwischen 55 und 60 Prozent unserer Körpermasse bestehen aus Flüssigkeit. Trotzdem verbindet man mit Körperflüssigkeiten eher unangenehme Gefühle.
Recherche: Magdalena Pulz
Unser Körper ist mit jeder Menge geheimnisvoller Sekrete und Exkremente gefüllt. Von der Vielfalt der Fluide hat jeder Mensch seine eigene Vorstellung: Tränen, Schweiß, Speichel, Sperma, Blut, Eiter, Fruchtwasser - die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Und jedes Wässerchen hat seinen ganz eigenen Ekelfaktor. Die Frage ist, warum Menschen Körperflüssigkeiten eigentlich eklig finden und nicht gern darüber sprechen. Stattdessen verbindet man damit peinliche Situationen oder sogar Ansteckungsgefahr.
Körperflüssigkeiten aus wissenschaftlicher Sicht
Die Medizin- und Kultursoziologin Dr. Irmhild Saake arbeitet an der LMU in München. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Abneigung gegen Körperflüssigkeiten nachvollziehbar: „Im Vergleich zum Geist ist der Körper abgewertet. Das liegt daran, dass wir unseren Körper nicht so kontrollieren können, wie wir das mit unseren Gedanken können, mit unserer Sprache, mit unseren Sätzen.“ Man schämt sich also für den eigenen Körper, weil er schwach und verletzlich erscheint. Und Körperflüssigkeiten machen diese Schwäche und eine mangelnde Kontrolle über den Körper sichtbar. Irmhild Saake erläutert das am Beispiel des Schwitzens: „Man schwitzt, auch wenn man das nicht will. Selbst wenn man sich vornimmt, nicht zu schwitzen, tut man's trotzdem.“
Akzeptanzunterschiede als Hinweis auf Grad der Privatheit
Zwischen den verschiedenen Arten von Fluiden gibt es erhebliche Akzeptanzunterschiede. Und das hat auch sein Gutes, wie Irmhild Saake betont: „Es gibt einen Unterschied zwischen dem Ansehen von Spucke und beispielsweise Sperma. Das ist ein Hinweis darauf, dass es Bereiche in unserem Leben gibt, die privater sind als andere. Wahrscheinlich hätte man nicht mehr den Gewinn, den man mit der Privatheit verbindet, also mit der Besonderheit einer romantischen Verabredung, wenn man dieses Tabu aufheben würde.“
Bildquelle: iSlime unter CC BY-NC-ND 2.0