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Star-Astronaut Chris Hadfield im Interview

"Niemand mag einen überraschten Astronauten"

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NASA Astronaut Chris Hadfield

Berühmt wurde er als der Mann, der David Bowies Space Oddity auf der ISS spielte. Jetzt war Chris Hadfield in München und sprach mit M94.5.

Der Kanadier Chris Hadfield war zwar nur einer von vielen Astronauten, die für einige Monate auf der Internationalen Raumstation ISS wohnten, aber er ist wahrscheinlich der bekannteste. Sein Erfolgsrezept ist relativ einfach: Ein sympathisches Auftreten, eine Kamera und Internetzugang. Von Videoblogs über Twitter und Reddit bis hin zu einem im Weltall gedrehten Musikvideo hat Chris Hadfield alles genutzt, was die moderne Technik hergibt, und damit Millionen Menschen einen Einblick in den Alltag im All gewährt.

Seit etwa einem Jahr ist er wieder zurück auf der Erde und hat sich sogleich seiner nächsten Mission gewidmet: Eine Reise rund um die Welt mit Vorträgen und Autogrammstunden, auf denen er nebenbei noch sein Buch Anleitung zur Schwerelosigkeit vorstellt. Als Chris Hadfield in München war, hatten wir die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Über die richtige Vorbereitung eines Raumflugs, über den Film Gravity und die Frage, wann die Menschheit es endlich auf den Mars schafft.

Mr. Hadfield, Sie haben viele Jahre damit verbracht, sich auf ihren Weltraumflug vorzubereiten. Gab es trotzdem etwas, das sie dort oben unvorbereitet getroffen hat?

Niemand mag einen überraschten oder unvorbereiteten Astronauten. Und einige Dinge sind anders als das wofür man genau trainiert wurde, aber nach meinem ersten Flug zur russischen Raumstation Mir fiel mir auf, dass zwar einiges passiert war, womit wir nicht gerechnet hatten, aber alles hatte innerhalb des Rahmens befunden, auf den wir vorbereitet waren. Also auch wenn es nicht genau das Gleiche war, wir fühlten uns nie hilflos. Und deshalb kann ich nur empfehlen, wenn man ein kompliziertes Projekt vor sich hat und nur einen Versuch, muss man eine lange Zeit damit verbringen, sich vorzustellen, was alles schiefgehen kann. Andernfalls ist man ein überraschter Astronaut und das will man lieber nicht sein.

In den 60er Jahren erwarteten viele, dass die Menschheit sich innerhalb der nächsten Jahrzehnte rasant ins All ausbreiten könnte. In Stanley Kubricks 2001 - Odyssee im Weltraum fliegt der Hauptcharakter sogar bis zum Jupiter. War das immer eine unrealistische Erwartung oder ist seitdem etwas passiert, das die Forschung zurückgehalten hat?

Es ist durchaus realistisch, es dauert nur eine Weile. Wir haben Sonden losgeschickt, aber für Besiedlung braucht man Zeit. Dieses Muster kennt man seit Jahrtausenden, wir schicken Späher vor und dann dehnen wir unsere Siedlungen langsam aus. Und wir waren vor etwa fünfzig Jahren das erste Mal im Weltraum, aber wir haben erst vor dreizehn Jahren mit der Besiedlung angefangen. Wenn man sich 2001 - Odyssee im Weltraum ansieht, darin wird eine Mission zu einer Raumstation mit einer internationalen Crew gestartet - das gibt es wirklich, dieser Teil des Films passiert mittlerweile. Und wir haben Sonden auf dem Mond und auf dem Mars und schlussendlich werden wir uns ausbreiten, genau wie wir es auf der Erde getan haben. Es gibt nur keine Eile, es ist kein Wettrennen. Es ist ganz natürlich, wir tun es seit dem Anbeginn der Zeit.

Wenn Sie Filme wie 2001 - Odyssee im Weltraum oder Gravity sehen, wie geht es Ihnen dabei? Werden Sie abgelenkt von kleinen Details, die nicht stimmen oder fiebern Sie sich noch mehr mit, weil Sie sich die Situation der Charaktere noch besser vorstellen können?

Ich bin der schlimmste Mensch auf der Welt, um einen Film wie Gravity zu schauen. Denn technisch betrachtet ist Gravity schrecklich. Visuell ist er in Ordnung, aber alle Details sind sehr Hollywood und der ganze Film folgt nicht den physikalischen Gesetzen, wie wir sie kennen. Aber ich kann auch Superman oder Spider-Man zusehen und das ist ein Mensch, dem Netze aus dem Handgelenk spritzen. Es ist in Ordnung, es ist nur Unterhaltung. 2001 regt sehr zum Nachdenken an und Apollo 13 ist relativ realistisch. Aber die meisten dieser Filme sind Popcorn-Kino. Und das ist okay. 

Aber Apollo 13 ist natürlich auch wirklich passiert.

Apollo 13 ist nicht nur wirklich passiert, Ron Howard (der Regisseur, Anm. d. Red.) gab sich viel Mühe, den Film der Realität so nah wie möglich kommen zu lassen, wenn man bedenkt dass er eine sehr komplexe Geschichte in zwei Stunden erzählen musste. Er benutzte die Original-Gespräche zwischen der Crew und Mission Control und ließ seine Schauspieler das im Film sagen. Er versuchte, es so echt wie möglich zu machen und dafür respektiere ich ihn.

Sie waren und sind immer noch sehr im Internet aktiv. Verändern die sozialen Medien die Art, mit der die Menschen die Raumfahrt betrachten?

Ich glaube, die größte und beste Reality-TV-Sendung, die es je gab, war die erste Mondlandung. Das war Reality-TV, bevor wir überhaupt wussten, was das war. Es war nichts vorgeschrieben, es war in Echtzeit, es passierte wirklich. Und es hatte eine riesige Wirkung. Millionen von Menschen wurden davon inspiriert. Es gab danach mehr Doktortitel als je zuvor in der Geschichte der Menschheit, weil dieses Erlebnis in Echtzeit verbreitet und geteilt wurde. Und nun, da das Internet das noch einfacher gemacht hat, können wir die Besonderheit und Seltenheit der Raumfahrt mit jedem teilen. Die Menschen können selbst direkt darauf zugreifen und durch diese Befriedigung der Neugier überschreitet man die Grenzen von dem was man nicht versteht. So entsteht Inspiration und das führt zu aktivem Handeln - und das halte ich für sehr wichtig.

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Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
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