Selbstgedreht war gestern
Sie waren ein Randphänomen: Zigaretten ohne Zusatzstoffe. Immer öfter sieht man die Öko-Zigaretten auch in Supermärkten. Können Zigaretten wirklich öko sein?
Angefangen hat alles, so will es scheinen, mit diesen Indianerzigaretten. Geraucht wurden sie von Frauen in langen Wickelröcken und ihren männlichen Pendants in den bunten Leinenklamotten. Aber ihr Anteil war gemessen an der Gesamtzahl der Raucher gering. Gerade mal ein Prozent rauchten die Zigaretten ohne Zusatzstoffe. Doch plötzlich gibt es sie in allen Supermärkten, als Varianten der altbekannten Marken.
Tabakzusatzstoffe werden in der Regel eingesetzt, um das Inhalieren zu erleichtern und den Geschmack der Zigaretten zu vereinheitlichen. Sie können bis zu zehn Prozent des Gewichts einer Zigarette ausmachen. Oft werden beim Verbrennen dieser Stoffe krebserregende Substanzen freigesetzt. Diese Zusatzstoffe sind also gesundheitsgefährdend. Deshalb sind Zigaretten ohne Zusätze aber nicht gesünder. Oft sind sie aus reinsortigem Tabak, während die üblichen Zigaretten Mischungen sind – „Blend“ genannt. Tobias Rüther ist Leiter der Tabakambulanz des Universitätsklinikums der LMU. Er erklärt, warum reinsortig nicht so gut ist, wie es klingt: „Die Kollegen vom Krebsforschungszentrum haben herausgefunden, dass den American-Blend-Zigaretten Zusatzstoffe beigemischt werden, die im reinsortigen Tabak ohnehin drin sind. Was durch die Gärung und die Verarbeitung verlorengeht wird später wieder hinzugetan. Also sind die meisten Zusatzstoffe ohnehin drin in den 'ökologischen' Zigaretten.“
Die Tabakindustrie sagt, ihr ginge es darum, dem Raucher eine Geschmacksvariante anzubieten. Sie wolle keineswegs den Eindruck erwecken, Zigaretten ohne Zusatzstoffe seien gesünder. Deshalb stehe auf den Packungen auch drauf: „Ohne Zusätze bedeutet nicht, dass es sich um eine risikoärmere Zigarette handelt.“ Vielen Rauchern schmecken die zusatzstofffreien Zigaretten, sagt Karin Schlömer, Pressesprecherin des Tabakriesens British American Tobacco. Ihr Produkt sei bei den Konsumenten sehr erfolgreich angekommen. BAT habe daraufhin eine zweite Auflage gemacht. Am Geschmack hätten sie nichts verändert, aber die Verpackung sei optimiert worden - aus Umweltgründen.
Hundert Prozent recyclebar: Die Zielgruppe für zusatzstofffreie Zigaretten lässt sich also erahnen. Pensionierte Oberlehrer stellen sich den Wasserwerfern der Polizei entgegen, um für den Schutz des Juchtenkäfers vor der Bahn zu demonstrieren. Und junge, hauptberufliche Mütter kaufen für ihre Babys nur noch Brei aus ökologischem Anbau. Warum also sollten nicht auch Raucher ihr grünes Gewissen finden? „Wir haben eine ökologische Bewegung," so der Psychiater Tobias Rüther, "deshalb gibt sich die Tabakindustrie ein Deckmäntelchen, dass es ökologisch sei, Zigaretten zu rauchen. Das ist natürlich Käse, denn auch der Tabakanbau ist ein riesiges ökologisches Desaster, auch wenn es 'Öko-Tabak' ist.“
Für das Tabakgeschäft sind Markennamen ausgesprochen wichtig. Raucher bleiben ihrer Marke oft ein Leben lang treu. Dass dies nur am Geschmack der Zigaretten liegt, ist sehr unwahrscheinlich. Deshalb legt die Tabakindustrie bei der Werbung viel Wert darauf, sich ein bestimmtes Image zu geben. Das ist nicht leicht, in Zeiten der Rauchverbote. „Wir haben die Nichtraucherschutzgesetze. Hier in Bayern kann man in den Gaststätten nicht mehr rauchen. Es gibt eine große Bewegung, den Leuten wird es bewusster. Die Tabakindustrie hat mit sinkenden Zahlen zu kämpfen. Die suchen sich einfach neue Marketingfelder, das ist alles. Wie es früher die 'Light'-Zigarette war, die nicht mehr 'light' heißen darf, weil sie noch schädlicher ist, so haben sie jetzt die Öko-Sachen. In fünf Jahren haben sie wieder was Neues,“ vermutet Tobias Rüther.