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Amerikas neuer Superheld gegen die Beschneidungsmafia?

Autor(en): Dena Brunner am Dienstag, 12. Juli 2011
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In einem umstrittenen Comic aus den USA bewahrt der sogenannte „Foreskin Man“ keine hilflosen Menschen vor dem Tod, sondern rettet die Vorhaut von kleinen Jungen. Die Rolle des Bösen übernehmen die Juden.

Die hilflose Mutter mit Barbie-ähnlichen Beinen und einem Dekolleté, bei dem selbst Pamela Anderson neidisch werden könnte, ist verzweifelt: Weinend hält sie ihr kleines Baby fest im Arm und fleht den bösen Doktor an, ihren Sohn vor der furchtbar schmerzhaften Beschneidung zu bewahren. Doch der Arzt, der sich urplötzlich in ein fettes, ekelhaftes Monster verwandelt, kennt keine Gnade. Das Baby wird der Mutter entrissen und auf den blutigen Operationstisch geknallt. Die schreiende Mutter muss gefesselt zusehen, wie das Massaker seinen Weg nimmt. Doch da kommt die Rettung angeflogen: "Foreskin Man", zu Deutsch Vorhautmann, mit einem gelb-blauen Latexkostüm bekleidet, rettet das Baby und verprügelt das Beschneidungsmonster. Alle sind glücklich!

Nicht ganz. Der neu in den USA erschienene Comic sorgt für Kontroversen. Es sieht auf den ersten Blick wie eine ganz normale Story aus. Der Hauptprotagonist heißt abseits seiner Heldenrolle Miles Hastwick, erobert in jeder Comicfolge eine neue Frau und eilt bei Not sofort an den Ort des Geschehens um das Böse zu bestrafen. Diese scheinbar übliche Heldengeschichte entpuppt sich als kritische Fiktion. Den Machern der „Foreskin Man“ - Episoden kann man einiges vorwerfen. Sexismus zum Beispiel, denn sämtliche Frauen, die im Comic auftreten, sind nicht nur sehr knapp bekleidet, sondern haben auch einen überdimensional großen Busen, extrem schmale Taillen und Schmollmünder, die vom "Foreskin Man" geküsst werden wollen. Die Bedeutung ihrer Rollen im Comic beschränkt sich darauf, mit dem Superhelden auszugehen, mit ihm zu flirten oder ihn um Hilfe zu rufen – wenn wieder mal unschuldige kleine Jungenbabys in die Hände von bösen Juden geraten. Das ist der nächste Kritikpunkt der Medien: Verdacht auf Antisemitismus. In Episode zwei der Comicreihe heiratet eine naive Frau unwissend einen Juden, der ohne ihre Zustimmung drei schwer bewaffnete jüdische Männer auf die Familienfeier einlädt, um seinem Sohn grausam die Vorhaut entfernen zu lassen. Doch der "Foreskin Man", der privat als Leiter eines Museums für Geschlechtsvollkommenheit in San Diego arbeitet, ist selbstverständlich nicht weit und rettet die Unschuldigen.

Aber woher kommt die extreme Abneigung gegen Beschneidung? An geschichtlichen Gründen kann es nicht liegen, wurden schließlich früher Jungen und junge Männer mit einer gleich großen Selbstverständlichkeit wie heute und vor allem aus unfehlbaren Glaubensursachen von ihrer Vorhaut getrennt.

Der älteste dokumentierte Fall einer Beschneidung vom Jahr 2400 v. Chr. kommt aus Ägypten. Bei vielen Naturvölkern wurde die Prozedur als allgemein anerkanntes Ritual sogar noch früher angewandt. In Ägypten lernten zumindest die Juden diese neue Praktik.

Heute wird unter anderem in großen Teilen Afrikas, bei den australischen Aborigines und in allen islamischen Ländern beschnitten. Im Islam steht die Beschneidung zwar nicht als Pflicht im Koran, wird aber sehr empfohlen. Vor allem deswegen wird der Akt von fast allen Gläubigen durchgeführt, schließlich soll auch Mohammed beschnitten gewesen sein.

In den USA verbreitete sich der Beschneidungsakt ab 1860: Man sah Masturbation als etwas Schändliches an und dachte, die Praktik würde seltener durchgeführt werden, sobald es für Männer anstrengender würde, sich zu befriedigen.

Die Zahl der Beschneidung in den USA ist deutlich zurückgegangen: Während die Praktik vor 30 Jahren noch bei rund 80 Prozent der Jungen durchgeführt wurde, waren es 2006 um die 50 Prozent und vergangenes Jahr nur noch 30 Prozent. Das hat HDI Health, eine Firma, die Daten aus dem Gesundheitswesen analysiert, festgestellt.

Matthew Hess, Schreiber und Herausgeber von "Foreskin Man", ist Firmenchef von MGM Bill. MGM steht für „Male Genital Mutilation“, also „Männliche Genitalverstümmelung“. Diese Organisation fordert die Einführung einer neuen Gesetzgebung, die gegen die erzwungene Beschneidung von Babyjungen vorgehen will. Sie sehen es als Verletzung der Menschenrechte, wenn Minderjährige beschnitten werden, solange sie es nicht selber wollen.

Doch warum sind viele Menschen überhaupt so vehement gegen die Beschneidung der Vorhaut von Jungen? Schließlich gibt es eine Reihe von Vorteilen: Beschnittene Männer berichten von längerer Ausdauer und intensiverem Lustempfinden beim Geschlechtsverkehr. Geschlechtskrebs entsteht bei beschnittenen Männern seltener als bei nicht beschnittenen. Außerdem ist die Hygiene bei Ersteren leichter und vor allem effektiver durchzuführen. Und das Erstaunlichste: Eine australische Studie hat herausgefunden, dass beschnittene Männer wegen der nicht vorhandenen Innenseite der Vorhaut, die oft als Eintrittsbereich für HIV fungiert, auch weniger an Aids erkranken.

Gerade deswegen ist der „Anti-Beschneidungs-Held“ "Foreskin Man" geschmacklos und nicht vertretbar, vor allem wenn Frauen und gläubige Juden diskriminiert werden. Kritik an der Beschneidungsprozedur kann man auch üben ohne Juden als Sündenbock zu verwenden.

Auf der offiziellen Website von Foreskin Man sind drei Episoden der Comicserie anzusehen
www.foreskinman.com/index.htm →

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