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Filmfest 2018

Fernsehen im Kino – Gähn?

Quelle: © ZDF/Hager Moss Film/Hendrik Heiden

Rosalie Thomass in "Rufmord"

In der Reihe „Neues Deutsches Fernsehen“ zeigt das Filmfest keinen internationalen Glamour, sondern "nur" deutsche Fernsehfilme.

 

Im Free-TV der öffentlich-rechtlichen Sender sehe ich das Ganze ja eh kostenlos – warum dann auf dem Filmfest dafür zahlen?  Lohnt sich die große Leinwand für eine Produktion, die für den kleinen Heimbildschirm gemacht ist? Ich muss sagen, dass ich skeptisch war, als ich im Programmheft entdeckt habe, dass in der Reihe „Neues Deutsches Fernsehen“ Fernsehfilme gezeigt werden. Dennoch habe ich mir zwei Tickets besorgt: Für "Rufmord" von Viviane Andereggen und „Sieben Stunden“ von Christian Görlitz. Zugegeben saß ich beim ersten Film mit dem Gefühl im Kino, dass ich doch eigentlich etwas „Richtiges“ (also einen Kinofilm) hätte anschauen sollen. Film ab!

Schmutzkampagne gegen eine Lehrerin

Smartphones im Unterricht. Die gehören für die junge Grundschullehrerin Luisa im Drama „Rufmord“ zum Einüben von Medienkompetenz einfach dazu. Dieser lockere Umgang mit moderner Technik und ihr Gerechtigkeitssinn kommen bei ihren Schülern gut an. Gleichberechtigung interessiert einen von Luisas Schülervätern jedoch nicht, da er auf eine Gymnasialempfehlung für seinen überforderten Sohn pocht. Dann tauchen plötzlich Nacktfotos von Luisa auf der Schulhomepage auf. Die Lehrerin droht alles zu verlieren und erlebt, wie machtlos ein einzelner angesichts von Falschinformationen und Hetze im Internet sein kann.

Rosalie Thomass überzeugt in der Produktion des ZDF als idealistische Lehrerin, die sich von ihren Mitmenschen im Stich gelassen fühlt. Durch die neutrale Erzählweise des Films bleibt jedoch eine gewisse Distanz zu den Protagonisten bestehen, so dass der Zuschauer voyeuristisch an Luisas Unglück teilhaben kann, ohne eine echte Beziehung zu ihr aufzubauen. Er betrachtet Luisa, die mit ihren großen Augen ungläubig beobachtet, was ihr zustößt, ohne ernsthaft mitzuleiden. Unterhalten wird der Zuschauer dennoch gut, denn Regisseurin Viviane Andereggen wartet mit Überraschungen und unerwarteten Wendungen auf. Idyllische Landschaftsaufnahmen, die auf der Großleinwand besonders zum Tragen kommen, setzen einen Gegenpol zur Enge von Luisas Umfeld und runden das Drama ab. Ein Film, der nachdenklich macht.

Nach dem Verbrechen

Die Ausgangssituation von „Sieben Stunden“ ist so grausam wie schnell erzählt: Die Gefängnispsychologin Hanna Rautenberg wird von einem Sexualstraftäter, den sie als Psychologin betreut, in ihrem Büro als Geisel genommen und sieben Stunden lang sexuell missbraucht. Anschließend lässt er sie frei und wird vom SLK überwältigt.

Regisseur Christian Görlitz geht hierbei sehr behutsam mit der Thematik um, die auf der autobiografischen Romanvorlage „Sieben Stunden im April“ von Susanne Preusker basiert. Hannas Missbrauch wird nur in Ansätzen gezeigt, dennoch sind die Bilder der hilflosen Frau nur schwer zu ertragen. Eine große Stärke des Films ist es dabei, dass er sich hauptsächlich auf Hannas Traumabewältigung konzentriert und psychologisch überzeugend darstellt, wie sie sich aus ihrer Opferrolle zurück ins Leben kämpft. Der Spannung tut dies keinen Abbruch, so dass „Sieben Stunden“ bis zur letzten Minute fesselt. Bibiana Beglau verkörpert Hanna durch ihr kraftvoll-nuanciertes, menschliches und wandlungsfähiges Spiel auf beeindruckende Weise überzeugend. Eine starke Produktion des Bayerischen Rundfunks.

Falsches Vorurteil

Shame on me, dass ich so wenig von der Reihe „Neues Deutsches Fernsehen“ erwartet habe. Beide Filme sind mit Anspruch produziert, glänzen mit überzeugenden Darstellern und sind auf jeden Fall sehenswert - wenn nicht auf der großen Leinwand, dann wenigstens im Heimkino. Denn auf dem Filmfest gibt es leider keine Vorführungen mehr. Doch die TV-Premieren sind nicht mehr lange hin.

„Sieben Stunden“ soll im Herbst 2018 im Rahmen des „FilmMittwoch“ im Ersten ausgestrahlt werden. „Rufmord“ wird voraussichtlich am 19. Oktober um 20:15 Uhr auf ARTE gezeigt.

 

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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