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Filmfest: Vive La France!

Quelle: © 2000-2014 Internationale Münchner Filmwochen GmbH

L' Amour Est Un Crime Parfait

An zwei Orten ist auf die Franzosen definitiv Verlass: In der Küche und im Kino. Letzteres beweist auch das diesjährige Münchner Filmfest wieder.

An zwei Orten ist auf die Franzosen definitiv Verlass: In der Küche und im Kino. Letzteres beweist auch das diesjährige Münchner Filmfest wieder.

Gewisse Entscheidungen bereut man ein Leben lang. Und manchmal kommt der Boomerang erst spät zurück. „Latein ist die Basis für so viele Sprachen“ haben sie einem damals erzählt. Dummerweise hilft einem das kleine Latinum aber so rein gar nicht, beim verstehen französischer Filme. Also bleibt einem dann nichts anderes übrig, als 50 Prozent des Films auf den unteren Bildrand zu blicken, wo der Untertitel erbarmungslos vorbeigaloppiert. Da packt einen dann schon ein wenig der Neid auf den frankophilen Sitznachbarn, der selbst bei unübersetzbaren Wortwitzen laut auflacht.

Echte Geschichten in anderthalb Stunden

Macht aber nix. Der unvergleichliche und vielbesungene Stil der französischen Filme bleibt einem trotzdem nicht verborgen. Ob leichtlebige Komödie, Erotikthriller oder Liebesdrama, unsere Nachbarn wissen noch, wie man in anderthalb Stunden echte Geschichten erzählt. Die Regisseure malen mit einer breiten Farbpalette auf die Leinwand: vielschichtig, facettenreich, verträumt, düster, heiter - und doch bleibt dankbarer Weise stets der Deckel auf der Klischeekiste. Das beweist auch das diesjährige Filmfest wieder.

Psychodrama mit Marion Cotillard

Zwei Tage, eine Nacht“ (Deux jours, une nuit) zeigt zum Beispiel eine großartige Marion Cotillard als Mutter und Ehefrau, die von ihrem Chef gesagt bekommt, dass er sie nur im Betrieb halten kann, wenn die gesamte Belegschaft auf den Jahresbonus von 1000 € verzichtet. Auf ihren Job dringend angewiesen, ist ihre einzige Chance die Mehrheit ihrer Kollegen davon zu überzeugen, sich bei der kommenden Abstimmung für sie zu entscheiden. Der Zuschauer begleitet die junge Frau bei ihrer entwürdigenden Aufgabe bei einem nach dem anderen betteln zu müssen, immer hin und hergerissen zwischen dem Notwendigen und ihrem Stolz. Nebenbei und ganz unaufdringlich filmen die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne in ihrem psychologischen Drama den täglichen Kampf des kleinen Mannes.

Interessante Insider-Einblicke hinter die politischen Kulissen

Einen ganz anderen Schauplatz hat Bertrand Tavernier in „Quai D’Orsay“ gewählt. Hinter dem Titel verbirgt sich die Adresse des französischen Außenministeriums und genau dort beginnt der frisch diplomierte Arthur Vlaminck seinen neuen Job als Redenschreiber für den Außenminister. Mit Ironie und viel Witz lässt Tavernier, der früher selbst einmal politscher Redenschreiber war, den Protagonisten immer tiefer in den Wahnsinn des Politbetriebs rutschen und bietet interessante Insider-Einblicke hinter die Kulissen. Dabei lässt er den Kinobesuchern allerdings genauso wenige Verschnaufpausen wie Arthur.

Nackte Haut und Sprachakrobatik

Tja und was wäre das französische Kino ohne eine ordentliche Portion Erotik? Die kommt in dem Thriller „Die Liebe ist ein perfektes Verbrechen“ (L' Amour Est Un Crime Parfait) sicherlich nicht zu kurz. Vor einer winterlich-zauberhaft anmutenden Kulisse am Genfer See zerrt der Literaturprofessor Marc eine Studentin nach der nächsten ins Bett, besser gesagt, die Damen drängen sich ihm regelrecht auf. Dann verschwindet plötzlich eine seiner Kursteilnehmerinnen/Bettbekanntschaften und stattdessen taucht deren wunderschöne und geheimnisvolle Stiefmutter am Campus auf. Auch hier war wieder ein Brüderpaar am Werk:  Arnaud und Jean-Marie Larrieu. Die beiden lassen die Figuren in ihrem Film stets undurchsichtig erscheinen, würzen den Handlungsstrang mit nackter Haut und haben großartige Musik dazu ausgewählt. Und da die Hauptfigur ein Dozent für Literatur ist, fehlt es natürlich auch nicht an Sprachakrobatik.

Ausgelutschte Themen spannend variiert

Das können sie eben, die Franzosen, gutes Kino. Wer auf gut Glück beim Filmfest vorbeischaut, der kann schon mal einen etwas verkünstelten Streifen aus Fernost erwischen, oder Zeuge seltsamer Independent-Experimente werden. Aber in französischen Filmen werden selbst vermeintlich ausgelutschte Themen spannend variiert. So etwa in „Bevor der Winter kommt“ (Avant L’hivre), worin ein erfolgreicher und eigentlich glücklich verheirateter Neurochirurg im Herbste seines Lebens auf eine junge, mysteriöse Frau stößt. Kennt man schon die Nummer, denkt man, aber dann kommt’s doch anders.

Die Beispiele des Filmfests zeigen außerdem auch, dass man sich als Regisseur in Frankreich aus einem großen Fundus erstklassiger Schauspieler bedienen kann. Und Gott sei Dank hat Schauspielerei immer noch viel mit Körpersprache zu tun. Die versteht man dann auch mit kleinem Latinum.

 

„Bevor der Winter kommt“, Freitag, 04.07.2014, 17:30 Uhr, Münchner Freiheit 3

“L' Amour Est Un Crime Parfait”, Freitag, 04.07.2014, 21:45 Uhr, City 2

Platte des Monats

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