Hollywood versucht sich zum zweiten Mal am ikonischsten Monster der Filmgeschichte. Klappt es diesmal besser?

Es dauert eine Weile, bis man den Titelcharakter der neuen Hollywood-Interpretation von Godzilla endlich richtig zu Gesicht bekommt. Über die ersten neunzig Minuten hinweg sind es fast ausschließlich die charakteristischen Rückenzacken, die langsam durchs Meer treiben und keine Missverständnisse darüber aufkommen lassen, dass dieser neue Godzilla der bisher größte ist, der je in einem Film auftrat. Man muss aber leider bis zum letzten Akt warten, um das neue Design des Königs der Monster in seiner ganzen Pracht bewundern zu können, erst dann hat der Kaiju auch tatsächlich eine Relevanz für den Plot. Klar ist also: Es geht hier nicht wirklich um Godzilla. Aber worum dann?

Unter Quarantäne

Im Jahr 1999 arbeitet der Nuklearphysiker Joe Brody (Bryan Cranston) in einem japanischen Kraftwerk, als es zu einem unvorhergesehen und unerklärbaren Unfall kommt - mit schlimmen Folgen. Das Gebiet um das Kraftwerk wird weitläufig abgesperrt und unter Quarantäne gestellt, auch das Haus, in dem er mit seiner Familie wohnte. Fünfzehn Jahre später ist Joe fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen und den wahren Grund für den damaligen Unfall und die Quarantäne herauszufinden. Er glaubt die offizielle Geschichte nicht. Unterstützung bei seinem Versuch, in das radioaktiv verseuchte Gebiet vorzudringen, erhält er von seinem unendlich langweiligen Sohn Ford (Aaron Taylor-Johnson). In der abgesperrten Zone entdecken die beiden schließlich, dass die Luft wider Erwarten frei von Radioaktivität ist. Dafür lauert hier etwas anderes. Ein Monster... unter der Kontrolle von Dr. Ishiro Serizawa (Ken Watanabe). Und es ist nicht Godzilla.

Charmebolzen

Im weiteren Verlauf des Films stellt der Zuschauer unter Schock fest, dass sich Müllbeutel-Charisma-Sohn Ford als Hauptcharakter von Godzilla entpuppt und man ihm die nächsten anderthalb Stunden dabei zusehen darf, wie er ohne erkennbare Motivation von einer Gefahrensituation in die nächste torkelt, während seine Frau Elle (Elizabeth Olsen, die mit Abstand die beste schauspielerische Leistung des Films zeigt) zuhause herumsitzt und als größte weibliche Rolle ausschließlich mit Sorgenmachen beschäftigt ist, da ihr Mann sich mit seinen "Keine Sorge Schatz, ich bin nicht tot"-Anrufen immer gemächlich Zeit lässt. Man sollte bei diesem Film nicht der Versuchung verfallen und anfangen, die nutzlosen Charaktere zu zählen, denn man würde am Ende bei "alle bis auf Bryan Cranston und Ken Watanabe" landen.

Ist der Mainstream dumm?

Das Drehbuch, das durch die Hände von dutzenden Autoren ging und bis zum Schluss ständig umgeschrieben wurde, gehört zu den schlechtesten, die in den letzten Jahren aus den Vereinigten Staaten herausgekrochen sind. Auch wegen der vielen peinlichen Momente, in denen die Autoren die Notwendigkeit sehen, dem anscheinend minderbemittelten Zuschauer jede Kleinigkeit noch einmal genau zu erklären, damit er ja keine Probleme hat mitzukommen. Es scheint eigenartig, dass ein Mainstream-Publikum, dass die überkomplizierten Traumspielchen von Inception zu einem Hit gemacht hat, immer noch manchmal für so blöd gehalten wird wie hier.

Monster

Aber es ist nicht alles schlecht im Hause Hollywood. Regisseur Gareth Edwards, der sich zuvor mit dem faszinierenden No-Budget-Drama Monsters einen Namen gemacht hat, findet immer wieder visuell umwerfende Bilder und setzt das schwache Drehbuch so gut in Szene, wie es nur möglich ist. Und in der letzten halben Stunde dreht der Film noch einmal richtig auf und liefert all das, worauf man die ganze Zeit gewartet hat. Riesenmonster gegen Riesenmonster. Vollkommen wahnsinnige Kampfszenen und mindestens zwei Momente, die im Kinosaal für spontanen Szenenapplaus sorgen könnten. Festzuhalten ist: Wer Godzilla sehen will, sollte Godzilla möglichst früh sehen. Denn bei diesem Film will man nicht der sein, der nicht mitreden kann.