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Im Strom der Zeit....

Autor(en): Marian Grosser am Mittwoch, 14. November 2012
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Quelle: Quelle: © 2012 Warner Bros. Entertainment Inc. in The United States of America and Canada © 2012 Cloud Atlas Production GMBH and X Filme Creative Pool GMBH

…ohne Navi, aber mit Cloud Atlas!  Wenn Tom Tykwer mit den Matrix-Machern dreht, geht's um Wiedergeburt, Jahrhunderte umspannende Schicksale und ganz große Gefühle.

...ohne Navi, aber mit Atlas!  Wenn Tom Tykwer mit den Matrix-Machern dreht, geht's um Wiedergeburt, Jahrhunderte umspannende Schicksale und ganz große Gefühle. Am 15. November kommt "Cloud Atlas" in die Kinos.

Tatsächlich...Tom Hanks ist das da in der ersten Szene, im Cast-Away-Outfit, gen Sternenhimmel des 24. Jahrhunderts blickend und mystische Sachen brabbelnd. Aha! -  und auch 1846 hat er sich als der quacksalbernde Dr. Henry Goose eingeschlichen! Ja und is er das nicht auch? Dieser Typ da, der mehr nach Gangster aussieht - mit Glatze und Goldkette - als nach Buchautor und mal eben den unliebsamen Kritiker über den Balkon schmeißt?
Über 500 Jahre hinweg tauchen hier immer wieder die gleichen Gesichter auf. Sechsmal Tom Hanks, sechsmal Hally Berry, fünfmal Ben Whishaw, viermal Susan Sarandon.... jeweils völlig unterschiedliche Menschen darstellend. Was war da los bei Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern? Personaleinsparungen? Fingerübungen für das Team von der Maske? - Nein, hier geht es um mehr....um ineinander verwobene Schicksale und den Zusammenhang der großen Geschichte. Es geht um den Strom der Zeit, der alles verbindet, die Menschen  immer wieder ans Ufer spühlt, ihnen dabei mal kleinere mal größere Rollen zuteilt, und schließlich wieder mit sich reißt.
Der junge Komponist Robert Frobisher (Ben Whishaw), der kurz vor seinem Selbstmord in den 30er Jahren sein Meisterwerk, das "Cloud Atlas Sextettt" fertig stellt, steht knapp 40 Jahre später als Verkäufer in einem Plattenladen - zufällig hat er die Aufnahme vom "Cloud Atlas" gerade aufgelegt. Hugh Grant, der als brutaler Sklavenbesitzer im 19. Jahrundert und später als schmieriger Konzernboss in den 70ern auftaucht, zeigt sich 300 Jahre später in einer postapokalyptischen Welt als animalisch-wilder Häuptling eines Menschenfresserstammes. Immer wieder erscheinen die gleichen Figuren, aber es sind nie dieselben. Sie alle Entwickeln sich, in welche Richtung auch immer. So zumindest wollen Lana und Andy Wachowski es zusammen mit Tom Tykwer in "Cloud Atlas" zeigen. Den Menschen als Wiedergänger im großen Kontinuum von Raum und Zeit. 

Der Zuschauer wird hin und her geworfen

Die Macher der Matrix-Trilogie sind seit Längerem mit dem deutschen Kultregisseur (Lola Rennt) befreundet. Nach langer Vorbereitungszeit haben sie sich im Herbst letzten Jahres gemeinsam daran gemacht, David Mitchells gleichnamigen Roman von 2004 in den Babelsberger Studios zu verfilmen. Nicht unproblematisch, denn Mitchell erzählt quasi sechs einzelne Geschichten, auf jeweils unterschiedlichen Zeitebenen. Dabei verfährt er chronologisch, stoppt aber jedesmal am Spannungshöhepunkt um dann mit der nächsten anzufangen. Schließlich löst er die sechs Geschichten der Reihe nach auf. Das mag im Buch gut funktionieren, im Film aber hielt das Trio diese Erzählweise für nicht umsetzbar. Stattdessen entschieden sich die Regisseure dafür, ständig zwischen den einzelnen Handlungssträngen zu springen. Der Zuschauer wird im Kino hin und her geworfen. Von der investigativen Journalistin (Halle Berry), die einem Atom-Skandal auf der Spur ist, zu einer geklonten Kellnerin im Jahr 2144 (Doona Bae) ,die plötzlich ihr Bewusstsein entdeckt, zurück ins 19. Jahrhundert, wo sich eine Freundschaft zwischen einem weißen Anwalt und einem schwarzen Sklaven entwickelt und wieder zum jungen Komponisten, der seinem Liebhaber Briefe voller Sehnsucht schreibt. Dabei liegt der Fokus nie länger als ein paar Minuten auf einer der Handlungsebenen, schon folgt der nächste Quantensprung durch die Zeit. Das funktioniert erstaunlich gut. Es gelingt der Wachowski/Tykwer-Troika, die Szenenwechsel so geschickt zu setzten, dass die Spannung während der gesamten drei Stunden aufrecht erhalten wird, und der Zuschauer stets Überblick behält. 

Die Grenzen zwischen Hautfarbe, Alter und Geschlecht verwischen

Die Wachowski-Geschwister sind Experten dafür, komplexe Stories kinogerecht umzusetzten, das haben sie mit ihre Matrix-Trilogie hinreichend bewiesen. Die Blockbuster begeisterten Anfang des letzten Jahrzehnts weltweit ein Millionenpublikum, setzten neue ästhetische sowie narrative Maßstäbe und hatten bei alle dem auch noch intellektuellen Anspruch. Tykwer wiederum ist einer der wenigen deutschen Regisseure, die auf internationalem Terrain wandeln. Mit "Das Parfum" zeigte er 2006 sein Talent für's große Kino und ein Gespür für die richtige Rollenbesetzung. Die Zusammenarbeit der Drei verlief offenbar sehr fruchtbar, denn "Cloud Atlas" entfaltet  ohne Zweifel eine gewisse Wirkung.
Der epochale Handlungszeitraum von über 500 Jahren ermöglicht es den Filmemachern die großen Fragen des Menschseins zu beleuchten. Es geht um Liebe, Niedertracht, den Kampf um Anerkennung und den Mut im richtigen Moment das Richtige zu tun. Der Aufriss durch die Geschichte soll den Zuschauer genau dies erkennen lassen. Er soll begreifen, dass die großen Themen des Lebens immer wiederkehren, die Menschen um sie herum sich dabei aber entwickeln können. Absichtlich lassen die Regisseure deswegen immer wieder die gleichen Schauspieler auftreten, jedoch in völlig unterschiedlichen Rollen. Sie lassen die Grenzen zwischen Hautfarben, Alter und Geschlecht verwischen und vermeiden bewusst die chronologische Reihenfolge. Außerdem werden offensichtliche Wiederholungen und  all zu plumpe Déjà-vu-Momente dadurch umgangen, dass sich die einzelnen Geschichten im Genre unterscheiden.  Vom Drama um den Sklavenhandel, zu den skurrilen Versuchen eines Verlegers aus dem Altenheim auszubrechen, von der tragischen Romanze um den Komponisten zum düsteren Science-Fiction-Szenario, stets variieren Stil und Gattung. 

Mächtige und aufwändig produzierte Bilder

Freilich bedient sich "Cloud-Atlas" verschiedener Versatzstücke der Filmgeschichte. Nicht nur Cineasten fühlen sich bei einigen der Geschichten in Inhalt und Optik an andere Filme erinnert. Aber darum scheint es den Wachovskis und Tykwer nicht zu gehen. Sie wollen die Erzählweise des Kinos revolutionieren, anhand wiederholter Einzelschicksale das große Ganze zeigen. Dabei scheuen sie sich nicht, mit dem dicken Gefühlspinsel auf die Leinwand zu malen. Mächtige und aufwendig produzierte Bilder, sind da in Babelsberg in nur drei Monaten entstanden. Das große Ganze ist eben nicht ohne die große Emotion zu haben. Gelegentlich mag die Geste, etwas zu ausladend erscheinen, die Aufteilung von Gut und böse zu schwarz-weiß gezeichnet. Auch hätte die Verkettung der Figuren über die Zeit hinweg subtiler dargestellt werden können, als durch ein kometenförmiges Muttermal, das immer wieder auftaucht. Und schließlich hat hier auch keine Revolution des Kinos stattgefunden. Stattdessen haben sich das Geschwisterpaar und der deutsche Kollege, schlicht das zu nutze gemacht, was Kino seit seinen Anfangstagen immer noch am besten kann: große Geschichten erzählen. Die Leistung von "Cloud Atlas" ist, sechs kleine Geschichten glaubwürdig zu einer großen zu verknüpfen und dabei  verschiedene Grenzen verwischen zu lassen. So kann eben auch Hugo Weaving als sadistische Krankenschwester auftreten, ohne ins Lächerliche abzudriften. Warum auch, schließlich hieß Lana Wachowski früher auch mal Larry....



Cloud Atlas kommt am 15. November in die deutschen Kinos



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