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Laut und schrill in den Sündenpfuhl

Autor(en): Karolina Brandner am Mittwoch, 3. April 2013
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Quelle: Arno Declair

„Geschichten aus dem Wiener Wald“ – eine wahnwitzige und erbarmungslos ehrliche Inszenierung des Kultstückes von Horvárth am Münchner Volkstheater.


„Geschichten aus dem Wiener Wald“ – eine wahnwitzige und erbarmungslos ehrliche Inszenierung des Kultstückes von Horvárth am Münchenr Volkstheater.

Laut, schrill und bunt war es bei der Premierenvorführung von den „Geschichten aus dem Wiener Wald“ am Volkstheater. Da tropfte es von der Bühnendecke, es wurde ins Publikum geschossen und neben derben Beschimpfungen gab es viel nackte Haut. Trotzdem ging bei der krachenden Inszenierung der Inhalt des komödiantischen Dramas nicht unter.

Jeder denkt nur an sich

Der österrisch-ungarische Schriftsteller Ödön von Horváth schrieb „Geschichten aus dem Wiener Wald“ Ende der 20er Jahre. Zur Entstehungszeit des bittersüßen Volksstücks kämpften die Menschen mit hoher Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftskrise. Horvath deckt  die Scheinfassade der Wiener Bürger auf und zeigt ihr wahres Ich. Hinter der Wiener Gemütlichkeit versteckt sich bei ihm eine verlogene Welt, in der jeder nur an sich denkt.

Auf der Bühne ein Wassertümpel – es tropft von der Decke

Das Münchner Volkstheater bereitet dem explosiven Stoff derzeit eine angemessene Bühne. Hinter einem sterilen gelben Raum öffnet sich die hintere Wand zu einem Sumpf der Lügen. Regisseur Christian Stückl bringt einen Wassertümpel auf die Bühne, in dem zweieinhalb Stunden herumgehurt, gebrüllt, gesungen und getanzt werden darf.

Alle leben aneinander vorbei

Im Mittelpunkt des schrill inszenierten Stücks steht das unschuldige Wiener Mädchen Marianne. Sie ist dem biederen Langweiler und Fleischhauer Oskar versprochen. Als jedoch der Hallodri Alfred, überzogen naiv gespielt von Max Wagner, auftaucht, ist Marianne von dessen jugendlicher Art und Unbekümmertheit so beeindruckt, dass sie mit ihm im Sündenpfuhl landet. Ihr uneheliches Kind wird zu Alfreds Mutter abgeschoben. Christian Stückl teilt das Stück durch die Pause in zwei Teile. Der erste Teil ist geprägt von einer schrillen, knallbunten Welt. Die musikalische Untermalung am Klavier wird parodistisch durch fröhliche Liedchen begleitet. Doch im zweiten Teil kippt die Stimmung.

Vom Traum vom Guten ins erotische Varieté

Marianne vollzieht einen sozialen Abstieg und findet sich am Ende in einem Varieté-Theater als erotische Tänzerin wieder. Das uneheliche Kind stirbt in der Obhut von Alfreds Mutter und schließlich kehrt Marianne doch zum Fleischhauer Oskar zurück. Laut, schrill und mit viel Getöse inszeniert das Volkstheater Horváths Stück in München. Mit tempogeladenen Dialogen und einer sehr derben Sprache, kommt die trostlose bittere Wahrheit hinter der gar so anständig wirkenden Welt der Wiener zum Vorschein. Die erbarmungslose Gesellschaftsanalyse lässt nichts aus. Sehr unterhaltsam und mit einer bitteren Erkenntnis gelingt der Ausbruch in eine bessere Zukunft für Marianne nicht. Ganz im Gegenteil landet sie letztendlich wieder in der trostlosen Brutalität ihres Alltags. Jeder kämpft um ein klein bisschen Glück, aber alle leben sie dabei aneinander vorbei.

Ab geht’s in den Schlund der Verlogenheit

Das Volkstheater zeigt mit den „Geschichten aus dem Wiener Wald“ ein knallbuntes, aber tiefgehendes Theaterstück. Auch wenn das Ganze durch Tanz, Gesang und die schrillen Kostüme manchmal eher an ein Musical erinnert, bleibt es durch die drastische Darbietung und die Botschaft am Ende doch ein ernsthaftes Stück im Sinne Horváths. Die Lacher des ersten Teils, verklingen im zweiten Teil ohne dass der Bruch zu krass wäre. Vielmehr rutscht der Zuschauer mit hinein in den Sündenpfuhl dieser wirklich sehenswerten und unterhaltsamen Darbietung.

„Geschichten aus dem Wiener Wald“ hatte am 25. März Premiere

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