Die Reihe "Spotlight" des 30. Münchner Filmfest
Licht aus! - WUMM! - Spot an!
Wie kann ein Schwein Juden und Palästinenser einander näher bringen? Wie lebt es sich mit 533 Kindern? Und was macht eigentlich Francis Ford Coppola?
Wie kann ein Schwein Juden und Palästinenser einander näher bringen? Wie lebt es sich mit 533 Kindern? Und was macht eigentlich Francis Ford Coppola? - Die Reihe "Spotlight" des 30. Münchner Filmfests gab die Antworten.
Vor einigen Jahren ist mir auf der rauschhaften Feier eines guten Freundes das vermeintlich Unschaffbare Gelungen. Unter tosendem Beifall und von zahlreichen Handys gefilmt, nagelte ich damals tatsächlich einen Pudding an die holzverkleidete Wand der Ikea-Küche. Seither gehe ich mit dem Wort "unmöglich" äußerst behutsam um und mache nur Gebrauch davon, wenn es wirklich nicht anders geht. Aber was soll ich sagen, die Reihe "Spotlight" zu definieren ist schlicht unmöglich!
Würde man alle 31 Filme der Reihe in einen Sack packen, gut durchschütteln und hineingreifen, könnte man die kanadische Komödie genau so gut erwischen, wie das niederländische Drama. Man könnte nach einem japanischen Horrorstreifen greifen, nach einem französischen Autorenfilm, aber auch nach dem schweizerischen Anti-Heimatfilm. Und schließlich sind nicht nur Herkunft und Genres kunterbunt gemischt, sondern auch die Erzeuger: Vom Großmeister des Kinos über alte Low-Budget-Haudegen bishin zu absoluten No-Names ist alles drin im Sack. Deshalb muss die folgende Zusammenfassung genügen: Man erwischt mit größter Wahrscheinlichkeit einen wirklich guten Film!
Vater werden ist nicht schwer....
Da wäre zum Beispiel der Eröffnungsfilm des diesjährigen Münchner Filmfestes: "Starbuck". Darin geht es weder um eine Coffeshopkette, noch um den ersten Steuermann der Pequod, sondern um einen Vater.
Nun heißt es ja immer "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr", aber sagenhafte 533 mal Vater zu werden ist auch nicht gerade leicht. Genau das hat David Wozniak aber geschafft. Jedoch nicht, weil er ein so grandioser Frauenverführer wäre - tatsächlich hat er keine der 533 Mütter jemals zu gesicht bekommen - vielmehr ist der reiche Kindersegen der Preis für eine Reise, die er seinen Eltern vor knapp 20 Jahren spendiert hat. Um die zu finanzieren, ging der junge David unter dem Pseudonym "Starbuck" spenden, und zwar seinen Samen. Der hat sich als äußerst fruchtbar erwiesen und nachdem die Klinik irgendwie geschlampt hatte, wird er nun 16 Jahre später mit seinen Kindern konfrontiert, die sich das Recht einklagen wollen, ihren Erzeuger kennenzulernen. Ein denkbar ungünstiger Moment, wo David doch gerade (mal wieder) Vater wird, und die werdende Mutter von 533 weiteren Stiefkindern nicht sehr begeistert sein dürfte. Trotzdem wird David neugierig und beschließt seine Kinder kennenzulernen, wenn auch inkognito.
Neben der originellen Idee, besticht der Film von Ken Scott vor allem durch seinen Hauptdarsteller Patrick Huard, der den hundertfachen Papa als ungemein liebenswerten Kerl von Nebenan spielt. Es macht richtig spaß, dem sympathischen Loser dabei zu zuzusehen, wie er für seine "neuen" Kinder die gute Fee spielen will. Bei 533 Nachkommen gibt's da natürlich viel zu tun....
Elektronische Haushaltshilfe mit Talent zum Schlösserknacken
Ähnlich wie in "Starbuck", sind es auch in "Robot and Frank" weniger die großen Gags, als die subtile Situationskomik, die den Zuschauer über 90 Minuten schmunzeln lässt. Wer hätte gedacht, dass ein Film, der zum Großteil aus Dialogen zwischen einem kauzigen alten Mann und einem seelenlosen Roboter besteht, so unterhaltsam sein kann.
Natürlich hat Frank absolut keine Lust, eine sprechende Blechbüchse als Haushälter an die Seite gestellt zu bekommen, aber der Sohn besteht nun einmal darauf. Angesichts der fortschreitenden Demenz Franks vielleicht auch keine schlechte Idee. Und siehe da, nach anfänglichen Schwierigkeiten findet der schrullige Ex-Dieb dann doch Gefallen an "Robot", wie er ihn liebevoll nennt. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass Frank bald schon Robots Talent zum Schlösserknacken erkennt. Und so wird die elektronische Haushaltshilfe kurzerhand zum Komplizen bei Franks letztem großen Coup...
Neben all der Komik behandelt Jake Schreier in seinem jüngsten Werk ganz nebenbei auch noch ein Thema, das zunehmend an Brisanz gewinnt: Demenz. Dank einem hinreißenden Frank Langella (Ocean's Eleven) erlebt der Zuschauer einen alten Mann, dessen Leben immer mehr verschwindet, dem sich aber dank eines Roboters nochmal eine Chance bietet.
Liv Tyler schaut übrigens als nervtötende Tochter auch mal kurz vorbei und wirft die Frage auf, ob das Nervtötende wirklich nur gespielt ist......
Das "Meer-Schwein" von Gaza
Komödien über alte Männer und Roboter zu drehen, erscheint schon nicht leicht, welche über den Nahostkonflikt zu machen hingegen fast unmöglich. Dem französischen Journalisten und Regisseur Sylvain Estibal ist das aber tatsächlich gelungen - dank des Kunstgriffs ein Schwein in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Während in unseren Breitengraden das leckere Nutztier täglich millionenfach verspeist wird, gilt es sowohl bei Juden als auch Palästinensern als unreines Tier. Deshalb ist der gesamte Gazastreifen eigentlich schweinfrei.
Nun hat aber der Fischer Jafaar, der sonst kaum mehr als drei Sardinen und ein paar Flip-Flops aus dem Meer holt, ausgerechnet so ein dickes, borstiges Untier im Netz. Nach vergeblichen Versuchen, das Schwein kalt zu machen, kommt er schließlich auf die Idee Kapital aus dem Tier zu schlagen. Und mit wem könnte man bessere Geschäfte machen, als mit den verhassten Nachbarn von der anderen Seite des Zauns?
Dank des Drehbuchs und der tollen Besetzung, gelingt es Estibal mit "Das Schwein von Gaza" den ewigen Konflikt zwischen Juden und Palästinensern liebevoll auf die Schippe zu nehmen, ohne die Problematik dabei ins Lächerliche zu ziehen, kurz: Lieber ein Schwein in der Badewanne, als Soldaten auf dem Dach...
Diese Rolle verlangt viel ab
Neben vielen Komödien bietet "Spotlight" allerdings auch Filme, die unter die Haut gehen. Besonders beeindruckt hat darunter der niederländische Film "Lena" von Christophe van Rompaey.
Lena ist eine übergewichtige Teenagerin, die gerne Tanzt, wahllosen Sex hat und dafür sorgt, dass ihre alleinerziehende Mutter rechtzeitig aus dem Bett kommt. Die Mutter wiederum hat ständig wechselnde Lover, macht sich gerne über die Leibesfülle ihrer Tochter lustig und auch die jeweiligen Sexualkontakte Lenas achten darauf nicht mit ihr in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Da wirkt es fast wie ein Wunder, als plötzlich der freche und gut aussehnde Daan in Lenas Leben tritt, der sich nicht im geringsten für sie schämt. Das klappt sogar so gut, dass sie bei Daan und seinem Vater einzieht. Dass der seit dem Tod seiner Frau nur noch alte Jazzplatten hört und kaum noch mit dem Sohn kommuniziert, stört Lena wenig. Sie schafft es mit ihrer fürsorglichen Art sogar wieder Schwung in das eintönige Leben der beiden Männer zu bringen. Doch dann wird der Vater auf den eigenen Sohn eifersüchtig....
Faszinierend an Rompaey's Drama ist vor allem die Tatsache, dass die junge Darstellerin von Lena zuvor keinerlei Schauspielerfahrung hatte. Nachdem Rompaey unzählige Mädchen für die Rolle erfolglos gecastet hatte, stieß er durch Zufall auf Emma Ruth Levie, die bei Bekannten des Regisseurs als Babysitterin arbeitete. Die Rolle verlangt viel ab, intime Nackt- und Sexszenen inklusive, weshalb ein beträchtlicher Teil des Applauses am Ende der Vorführung wohl der großartigen Laiendarstellerin gegolten haben dürfte.
Schockierendes aus der Schweiz und England
Dass jahrelanger Schauspielunterricht schön und gut ist, aber nicht immer nötig, war auch in dem Schweizer Film "Verdingbub" zu sehen. Max Hubacher und Lisa Brand spielen darin sogenannte "Verdingkinder", also Waisenkinder, die in der Schweiz über 150 Jahre lang als billige Arbeiter zu Bauernfamilien gegeben wurden. Dank der eindrucksvollen schauspielerischen Leistung der beiden Jugendlichen, vermag das Drama von Markus Imboden dieses traurige Kapitel der eidgenössischen Geschichte authentisch zu beleuchten.
Im Gruselschocker "When The Lights Went Out" steht ebenfalls eine Jungschauspielerin im Mittelpunkt. Tasha Connor spielt darin die 14-jährige Tochter der Familie Maynard, die nach dem Umzug ins neue Heim von bösen Geistern terrorisiert wird. Zwar bietet der Horrorfilm von Pat Holden nichts Neues, dafür ist die Mischung aus "Poltergeist" und "Exorzist" aber eindrucksvoll inszeniert. Bei aller Vorhersehbarkeit, hüpft man dann doch bei der ein oder anderen Szene aus dem Kinosessel.
Kein Meisterwerk vom Meister
Und zuletzt sei natürlich auch noch ein Grand-Seigneur des Kinos erwähnt: Francis Ford Coppola hat auch mal wieder von sich hören lassen. Mit "Twixt" präsentiert er eine seltsame Mischung aus Horrorfilm, Komödie und surrealem Film Noir. Der fast schon totgeglaubte Val Kilmer spielt darin einen heruntergekommenen Autoren von zweitklassigen Hexenromanen, den das Schicksal in eine mysteriöse Kleinstadt verschlägt, wo der Kirchturm mit sieben Uhren nicht das einzige Unerklährliche zu sein scheint. Nur der Sheriff, brilliant gespielt von Bruce Dern, interessiert sich hier für den Schriftsteller, vor allem, weil er unbedingt ein Buch mit ihm schreiben will. Der Schreiberling dagegen hat den Tod seiner Tochter noch nicht verarbeitet, säuft wie ein Loch und driftet dazwischen immer wieder in Traumwelten ab, in denen er Diskussionen mit Edgar Allan Poe führt, quasi von Schriftsteller zu Schriftsteller.
Nach eigener Aussage wollte Coppola mit "Twixt" einen Film machen, wie ihn normalerweise junge Filmschaffende kreieren würden, da er als junger Mann ja leider keine Gelegenheit dazu gehabt habe (Das drehen von "Der Pate" und "Apocalypse Now" lies wohl keine Zeit dafür).
Heraus kam nun also dieser bunte Mix, dessen Traumsequenzen in der typischen Marvel-Ästhetik à la "Sin City" gedreht sind. Alles schwarz-weiß und dazu ein blutiges rot.
Der Film hat seine Lacher, für Zartbesaitete den ein oder anderen Schocker und auch einen gewissen optischen Reiz, die große Innovation bleibt jedoch aus. Das neuste Werk des Meisters ist also ganz nett, aber kein Meisterwerk.
Aber so ist das eben, die alten Meister rutschen vom Thron, um Platz für die neuen zu machen. Und die Reihe "Spotlight" hat gezeigt, dass es jede Menge begabter Filmemacher und talentierter Schauspieler gibt, die sicher noch weiter von sich reden machen werden. Nach welchen Kriterien das Team des Münchner Filmfests die Reihe auch immer zusammengestellt hat, heraus kam ein äußerst gelungenes Potpourri, das einem Lust gemacht hat, alle 31 Filme anzusehen. Aber das war leider selbst für einen Pudding-Nagler....unmöglich.
Vor einigen Jahren ist mir auf der rauschhaften Feier eines guten Freundes das vermeintlich Unschaffbare Gelungen. Unter tosendem Beifall und von zahlreichen Handys gefilmt, nagelte ich damals tatsächlich einen Pudding an die holzverkleidete Wand der Ikea-Küche. Seither gehe ich mit dem Wort "unmöglich" äußerst behutsam um und mache nur Gebrauch davon, wenn es wirklich nicht anders geht. Aber was soll ich sagen, die Reihe "Spotlight" zu definieren ist schlicht unmöglich!
Würde man alle 31 Filme der Reihe in einen Sack packen, gut durchschütteln und hineingreifen, könnte man die kanadische Komödie genau so gut erwischen, wie das niederländische Drama. Man könnte nach einem japanischen Horrorstreifen greifen, nach einem französischen Autorenfilm, aber auch nach dem schweizerischen Anti-Heimatfilm. Und schließlich sind nicht nur Herkunft und Genres kunterbunt gemischt, sondern auch die Erzeuger: Vom Großmeister des Kinos über alte Low-Budget-Haudegen bishin zu absoluten No-Names ist alles drin im Sack. Deshalb muss die folgende Zusammenfassung genügen: Man erwischt mit größter Wahrscheinlichkeit einen wirklich guten Film!
Vater werden ist nicht schwer....
Da wäre zum Beispiel der Eröffnungsfilm des diesjährigen Münchner Filmfestes: "Starbuck". Darin geht es weder um eine Coffeshopkette, noch um den ersten Steuermann der Pequod, sondern um einen Vater.
Nun heißt es ja immer "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr", aber sagenhafte 533 mal Vater zu werden ist auch nicht gerade leicht. Genau das hat David Wozniak aber geschafft. Jedoch nicht, weil er ein so grandioser Frauenverführer wäre - tatsächlich hat er keine der 533 Mütter jemals zu gesicht bekommen - vielmehr ist der reiche Kindersegen der Preis für eine Reise, die er seinen Eltern vor knapp 20 Jahren spendiert hat. Um die zu finanzieren, ging der junge David unter dem Pseudonym "Starbuck" spenden, und zwar seinen Samen. Der hat sich als äußerst fruchtbar erwiesen und nachdem die Klinik irgendwie geschlampt hatte, wird er nun 16 Jahre später mit seinen Kindern konfrontiert, die sich das Recht einklagen wollen, ihren Erzeuger kennenzulernen. Ein denkbar ungünstiger Moment, wo David doch gerade (mal wieder) Vater wird, und die werdende Mutter von 533 weiteren Stiefkindern nicht sehr begeistert sein dürfte. Trotzdem wird David neugierig und beschließt seine Kinder kennenzulernen, wenn auch inkognito.
Neben der originellen Idee, besticht der Film von Ken Scott vor allem durch seinen Hauptdarsteller Patrick Huard, der den hundertfachen Papa als ungemein liebenswerten Kerl von Nebenan spielt. Es macht richtig spaß, dem sympathischen Loser dabei zu zuzusehen, wie er für seine "neuen" Kinder die gute Fee spielen will. Bei 533 Nachkommen gibt's da natürlich viel zu tun....
Elektronische Haushaltshilfe mit Talent zum Schlösserknacken
Ähnlich wie in "Starbuck", sind es auch in "Robot and Frank" weniger die großen Gags, als die subtile Situationskomik, die den Zuschauer über 90 Minuten schmunzeln lässt. Wer hätte gedacht, dass ein Film, der zum Großteil aus Dialogen zwischen einem kauzigen alten Mann und einem seelenlosen Roboter besteht, so unterhaltsam sein kann.
Natürlich hat Frank absolut keine Lust, eine sprechende Blechbüchse als Haushälter an die Seite gestellt zu bekommen, aber der Sohn besteht nun einmal darauf. Angesichts der fortschreitenden Demenz Franks vielleicht auch keine schlechte Idee. Und siehe da, nach anfänglichen Schwierigkeiten findet der schrullige Ex-Dieb dann doch Gefallen an "Robot", wie er ihn liebevoll nennt. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass Frank bald schon Robots Talent zum Schlösserknacken erkennt. Und so wird die elektronische Haushaltshilfe kurzerhand zum Komplizen bei Franks letztem großen Coup...
Neben all der Komik behandelt Jake Schreier in seinem jüngsten Werk ganz nebenbei auch noch ein Thema, das zunehmend an Brisanz gewinnt: Demenz. Dank einem hinreißenden Frank Langella (Ocean's Eleven) erlebt der Zuschauer einen alten Mann, dessen Leben immer mehr verschwindet, dem sich aber dank eines Roboters nochmal eine Chance bietet.
Liv Tyler schaut übrigens als nervtötende Tochter auch mal kurz vorbei und wirft die Frage auf, ob das Nervtötende wirklich nur gespielt ist......
Das "Meer-Schwein" von Gaza
Komödien über alte Männer und Roboter zu drehen, erscheint schon nicht leicht, welche über den Nahostkonflikt zu machen hingegen fast unmöglich. Dem französischen Journalisten und Regisseur Sylvain Estibal ist das aber tatsächlich gelungen - dank des Kunstgriffs ein Schwein in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Während in unseren Breitengraden das leckere Nutztier täglich millionenfach verspeist wird, gilt es sowohl bei Juden als auch Palästinensern als unreines Tier. Deshalb ist der gesamte Gazastreifen eigentlich schweinfrei.
Nun hat aber der Fischer Jafaar, der sonst kaum mehr als drei Sardinen und ein paar Flip-Flops aus dem Meer holt, ausgerechnet so ein dickes, borstiges Untier im Netz. Nach vergeblichen Versuchen, das Schwein kalt zu machen, kommt er schließlich auf die Idee Kapital aus dem Tier zu schlagen. Und mit wem könnte man bessere Geschäfte machen, als mit den verhassten Nachbarn von der anderen Seite des Zauns?
Dank des Drehbuchs und der tollen Besetzung, gelingt es Estibal mit "Das Schwein von Gaza" den ewigen Konflikt zwischen Juden und Palästinensern liebevoll auf die Schippe zu nehmen, ohne die Problematik dabei ins Lächerliche zu ziehen, kurz: Lieber ein Schwein in der Badewanne, als Soldaten auf dem Dach...
Diese Rolle verlangt viel ab
Neben vielen Komödien bietet "Spotlight" allerdings auch Filme, die unter die Haut gehen. Besonders beeindruckt hat darunter der niederländische Film "Lena" von Christophe van Rompaey.
Lena ist eine übergewichtige Teenagerin, die gerne Tanzt, wahllosen Sex hat und dafür sorgt, dass ihre alleinerziehende Mutter rechtzeitig aus dem Bett kommt. Die Mutter wiederum hat ständig wechselnde Lover, macht sich gerne über die Leibesfülle ihrer Tochter lustig und auch die jeweiligen Sexualkontakte Lenas achten darauf nicht mit ihr in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Da wirkt es fast wie ein Wunder, als plötzlich der freche und gut aussehnde Daan in Lenas Leben tritt, der sich nicht im geringsten für sie schämt. Das klappt sogar so gut, dass sie bei Daan und seinem Vater einzieht. Dass der seit dem Tod seiner Frau nur noch alte Jazzplatten hört und kaum noch mit dem Sohn kommuniziert, stört Lena wenig. Sie schafft es mit ihrer fürsorglichen Art sogar wieder Schwung in das eintönige Leben der beiden Männer zu bringen. Doch dann wird der Vater auf den eigenen Sohn eifersüchtig....
Faszinierend an Rompaey's Drama ist vor allem die Tatsache, dass die junge Darstellerin von Lena zuvor keinerlei Schauspielerfahrung hatte. Nachdem Rompaey unzählige Mädchen für die Rolle erfolglos gecastet hatte, stieß er durch Zufall auf Emma Ruth Levie, die bei Bekannten des Regisseurs als Babysitterin arbeitete. Die Rolle verlangt viel ab, intime Nackt- und Sexszenen inklusive, weshalb ein beträchtlicher Teil des Applauses am Ende der Vorführung wohl der großartigen Laiendarstellerin gegolten haben dürfte.
Schockierendes aus der Schweiz und England
Dass jahrelanger Schauspielunterricht schön und gut ist, aber nicht immer nötig, war auch in dem Schweizer Film "Verdingbub" zu sehen. Max Hubacher und Lisa Brand spielen darin sogenannte "Verdingkinder", also Waisenkinder, die in der Schweiz über 150 Jahre lang als billige Arbeiter zu Bauernfamilien gegeben wurden. Dank der eindrucksvollen schauspielerischen Leistung der beiden Jugendlichen, vermag das Drama von Markus Imboden dieses traurige Kapitel der eidgenössischen Geschichte authentisch zu beleuchten.
Im Gruselschocker "When The Lights Went Out" steht ebenfalls eine Jungschauspielerin im Mittelpunkt. Tasha Connor spielt darin die 14-jährige Tochter der Familie Maynard, die nach dem Umzug ins neue Heim von bösen Geistern terrorisiert wird. Zwar bietet der Horrorfilm von Pat Holden nichts Neues, dafür ist die Mischung aus "Poltergeist" und "Exorzist" aber eindrucksvoll inszeniert. Bei aller Vorhersehbarkeit, hüpft man dann doch bei der ein oder anderen Szene aus dem Kinosessel.
Kein Meisterwerk vom Meister
Und zuletzt sei natürlich auch noch ein Grand-Seigneur des Kinos erwähnt: Francis Ford Coppola hat auch mal wieder von sich hören lassen. Mit "Twixt" präsentiert er eine seltsame Mischung aus Horrorfilm, Komödie und surrealem Film Noir. Der fast schon totgeglaubte Val Kilmer spielt darin einen heruntergekommenen Autoren von zweitklassigen Hexenromanen, den das Schicksal in eine mysteriöse Kleinstadt verschlägt, wo der Kirchturm mit sieben Uhren nicht das einzige Unerklährliche zu sein scheint. Nur der Sheriff, brilliant gespielt von Bruce Dern, interessiert sich hier für den Schriftsteller, vor allem, weil er unbedingt ein Buch mit ihm schreiben will. Der Schreiberling dagegen hat den Tod seiner Tochter noch nicht verarbeitet, säuft wie ein Loch und driftet dazwischen immer wieder in Traumwelten ab, in denen er Diskussionen mit Edgar Allan Poe führt, quasi von Schriftsteller zu Schriftsteller.
Nach eigener Aussage wollte Coppola mit "Twixt" einen Film machen, wie ihn normalerweise junge Filmschaffende kreieren würden, da er als junger Mann ja leider keine Gelegenheit dazu gehabt habe (Das drehen von "Der Pate" und "Apocalypse Now" lies wohl keine Zeit dafür).
Heraus kam nun also dieser bunte Mix, dessen Traumsequenzen in der typischen Marvel-Ästhetik à la "Sin City" gedreht sind. Alles schwarz-weiß und dazu ein blutiges rot.
Der Film hat seine Lacher, für Zartbesaitete den ein oder anderen Schocker und auch einen gewissen optischen Reiz, die große Innovation bleibt jedoch aus. Das neuste Werk des Meisters ist also ganz nett, aber kein Meisterwerk.
Aber so ist das eben, die alten Meister rutschen vom Thron, um Platz für die neuen zu machen. Und die Reihe "Spotlight" hat gezeigt, dass es jede Menge begabter Filmemacher und talentierter Schauspieler gibt, die sicher noch weiter von sich reden machen werden. Nach welchen Kriterien das Team des Münchner Filmfests die Reihe auch immer zusammengestellt hat, heraus kam ein äußerst gelungenes Potpourri, das einem Lust gemacht hat, alle 31 Filme anzusehen. Aber das war leider selbst für einen Pudding-Nagler....unmöglich.