Home > Kultur > Louise Bourgeois

Louise Bourgeois

Autor(en): Karolina Brandner am Samstag, 28. Februar 2015
Tags: , , , , , ,
Quelle: © The Easton Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Das Haus der Kunst zeigt die größte Zusammenschau der „Cells“ (Zellen), die es je zu sehen gab. Warum das so spannend ist...

Fünf Jahre nach dem Tod der Künstlerin zeigt das Haus der Kunst die größte Zusammenschau der „Cells“ (Zellen), die es je zu sehen gab.

Louise Bourgeois – ein Name, der in unzähligen Schülerköpfen die Alarmglocken schrillen lässt. Seit Jahren ist ihr Leben und Werk Inhalt des Kunstunterrichts an vielen Schulen der Bundesrepublik. Da nützt es nur wenig, zu wissen, dass Bourgeois zu den wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart zählt. Ihre Kunst bleibt dennoch auf unliebsame und verstörende Weise ein eher dunkles Kapitel des Unterrichts. Eine berichtigte, emotional erfahrbare Sichtweise in die - dem ersten Anschein nach - groteske Kunstwelt der Louise Bourgeois gibt nun das Haus der Kunst.

Eine Orange. Konzentriert sitzt die bereits gealterte Künstlerin im Video an einem Tisch und schält die Frucht, in der Form, wie es einst ihr Vater am Esstisch tat. Der Vater kündigte die Aktion damit an, er würde ein Portrait seiner Tochter Louise gestalten. Am Ende kommt dabei jedoch eine eindeutig männliche Figur heraus. Schnell wird klar, dass sich Bourgeois' Vater lieber einen Sohn erhofft hatte und die Tochter stets das Gefühl ertragen musste, unerwünscht, ja beinahe unsichtbar zu sein. So machte das Familienoberhaupt auch kein Geheimnis daraus, die Mutter vor den Augen der Tochter jahrelang mit dem Au pair zu betrügen.

Die psychische Unterdrückung in der Familie und das große Trauma um ihre Kindheit verarbeitete Bourgeois in ihrer Kunst in einer Vielfalt an Form, Material und Größe. Zu ihren bedeutsamsten Werken gehört ihr Spätwerk – die „Cells“. Die Zellen stellen große, zum Teil begehbare architektonische Räume und Situationen dar. Bevor die Künstlerin 2010 verstarb, hatte sie sich über zwanzig Jahre lang damit befasst. Das Haus der Kunst vereint nun erstmals die größte Zusammenschau, die es von diesem Werkkomplex je gegeben hat. 30 von insgesamt 60 Zellen sowie zwei Vorläufer werden gezeigt.

„Bei Spiegeln geht es darum, dass man sich selbst akzeptiert. Ich habe in einem Haus ohne Spiegel gelebt, weil ich mich nicht akzeptieren konnte. Der Spiegel war ein Feind.“

Die Zellen erscheinen als in sich geschlossene Räume, die Einblick in die Psyche der Künstlerin geben. Die Wände sind mal massiv aus Paravents und Türen oder durchlässiger aus Metallgittern gestaltet. In manche Zellen erhält man nur durch Fenster Einblick, muss sich über versperrte Eingänge lehnen oder durch Ritzen spähen. Was man dann erblickt, sind beispielsweise Räume, die an Schlafzimmer erinnern lassen. Andere Zellen zeigen ein abstraktes Sammelsurium an Gegenständen aus der Erfahrungswelt der Künstlerin. Kleider, Parfumflakons oder Fadenspindeln aus der Tapisserie der Eltern offenbaren intime Erinnerungen. Einige Zellen wirken abstoßend, gar ekelhaft mit verkrampft darin liegenden Körperteilen. Wieder Andere vermitteln einen völlig gegenteiligen Eindruck: Durch Spiegel und bläulich schimmerndes Glas, das das Licht reflektiert, haben sie eine faszinierend schöne Anziehungskraft. Manchmal ertappt sich der Besucher dann als Voyeur. In einigen Arbeiten wird er durch Spiegel aber auch gezielt in die psychoanalytisch stark aufgeladenen Zellen eingeladen und inkludiert.

„Realität verändert sich mit jedem neuen Winkel.“

Mit der Inszenierung der Zellen gelingt dem Haus der Kunst durch das stark gedimmte Deckenlicht und die gedrängte Atmosphäre zwischen den Zellen, die an ein Labyrinth erinnern lässt, ein kuratorisches Kunststück. Licht bricht sich in Spiegeln und Glaskugeln, Schatten verbergen und offenbaren. Der Beobachter wird so psychisch wie physisch zu einer Reise in die zerbrechliche Welt der Künstlerin eingeladen. Indirekt gibt sich Louise Bourgeois dabei den Blicken preis, versteckt sich aber stets in Zweideutigkeiten.

Die Ausstellung im Haus der Kunst ist ungewöhnlich. Der Gang durch die Zellen und damit die Psyche der Louise Bourgeois trifft den Besucher mit voller Wucht. Die Inszenierung der Zellen will hier ein emotionales Erlebnis für den Besucher schaffen und lässt tief in die Kunst eintauchen. Ein Eintauchen, das man beim bloßen Betrachten der Kunstwerke in der Schule so nicht erleben und vielleicht deshalb auch nicht verstehen konnte und wollte und das mit dieser außergewöhnlichen Künstlerin letztendlich versöhnt. Der Gedanke einer ehemals Bourgeois-Geschädigten Schülerin wäre daher vermutlich: „Auch wenn Louise Bourgeois sicherlich einen Knall hatte, ist ihre Kunst live vor Ort wirklich überwältigend. Die Frage, warum sie zu den wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart zählt, erübrigt sich schließlich bei einem Besuch dieser Ausstellung“.

Die Ausstellung „Louise Bourgeois. Strukturen des Daseins: Die Zellen“ ist noch bis zum 2. August 2015 im Haus der Kunst in München zu sehen.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

mehr
M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
M218 LMU Hauptgebäude
 
Munich Rocks!
Donnerstag, 18. Oktober 2018
 
Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
Neuhauser Musiknacht
Samstag, 27. Oktober 2018
M94.5 Bühne @ Freiheizhalle

 

mehr
M94.5 auf Youtube

Der M94.5-Newsletter
Du willst regelmäßig News von M94.5? Dann musst nur deine E-Mail-Adresse angeben! Keine Angst, wir spamen deinen Posteingang auch nicht voll.
 
 
Die afk Familie