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Nymphomaniac

Autor(en): Jan Borner am Mittwoch, 2. April 2014
Quelle: Zentropa / 2014 Concorde Filmverleih GmbH

Nymphomaniac 08 photo by Zentropa 700

Lars von Trier und die Sexualität. Eine Beziehung mit wechselnder Bedeutung.

Lars von Trier und die Sexualität. Eine Beziehung mit wechselnder Bedeutung.

Sex war für ihn bisher nur eine Zutat. Teil eines Experiments der menschlichen Emotionen (Idioten), Ausdruck von Glück in einer ins Extrem gesteigerten romantischen Liebe (Breaking the Waves), Zeichen von Verzweiflung und Depression (Melancholia) und verstrickt in die Wahnvorstellung einer Frau, das Böse in sich zu tragen (Der Antichrist). Sexualität war bei Lars von Trier schon häufig explizit, aber immer verbaut in ein größeres Ensemble. Was passiert also, wenn Lars von Trier den Sex mal in den Fokus nimmt und von aller Umrahmung befreit? Was wird das für ein Film, wenn die Persona non Grata Sexualität ganz nackt ins Zentrum stellt?

Über vier Stunden Nymphomanie

Ein ziemlicher langer! So lang, dass Lars von Trier seine eigentliche Version nochmal um rund eine Stunde kürzen lassen musste. Und selbst dann war Nymphomaniac noch zu lang. Deswegen kam er in zwei Teilen in die Kinos. Jeder Teil mit rund zwei Stunden. Aber was soll man machen!? Wenn eine Nymphomanin aus ihrem Sexleben erzählt, dann braucht das nun mal Zeit!

Seligman und böse Frau

Seligman, ein asexueller Intellektueller, findet die verletzte Joe (Charlotte Gainsbourg) in einer Gasse. Er nimmt sie mit zu sich nach Hause, pflegt sie, gibt ihr Tee und im Gegenzug erzählt sie ihm ihre Geschichte. Mit einem Hinweis: „Ich bin ein schlechter Mensch“. Ja! Genau das will man von Charlotte Gainsbourg hören, wenn es der Anfang eines Lars von Trier-Filmes ist. Man denkt an Der Antichrist, an die düstere Tiefe, die womöglich niemand besser in Bilder zu fassen weiß als dieser depressive Lars von Trier. Aber statt Tiefe folgt auf jede lüsterne Geschichte Joe´s ein oberflächlich intellektueller Kommentar. Seligman begleitet mit seinen Anmerkungen Joe´s gesamte Erzählung, bringt ihre Erlebnisse in kulturellen Kontext und zwängt ihre Begierde in Metaphern. Das wirkt aufgesetzt und nervt gewaltig. Denn die einzig passende Metapher kommt von der Nymphomanin selbst: Ihr Liebesleben ist eine polyfone Sinfonie. Mit diesem Bild blüht der Film auf und befreit sich für wenige Minuten von dem Erklärbär Seligman.  

Vom angeblichen Frauenfeind zum aufgesetzten Moralisten

Der verständnisvolle Seligman bekommt aber am Ende noch einen ganz wichtigen Auftritt. Nicht nur für die Pointe des ganzen Films, die nahe legt, dass es in Nymphomaniac weniger um Sexualität, als um die Suche nach Freundschaft geht. Sondern Seligman ist vor allem dafür da, dem Publikum klar zu machen, dass wenn Joe ein Mann wäre, die ganze Sache mit der Sexsucht gar nicht so skandalös gewesen wäre.  Als wolle sich Lars von Trier laut und deutlich für seinen Film Der Antichrist entschuldigen. Dafür wurde er nämlich oft genug als Frauenfeind beschimpft. Vielleicht zitiert er deshalb kurz vorher beinahe bildgetreu den Prolog des Antichristen, sodass man für einen Moment beinahe sogar glauben könnte, als handle es sich bei Nymphomaniac um eine Art Prequel seines verrufenen Films aus dem Jahr 2009. Aber das ist er nicht. Nymphomaniac ist ein eigenständiger Film, der weder inhaltlich noch qualitativ an andere Lars von Trier-Filme anknüpft.

Aber wer weiß, vielleicht wollte uns das Enfant terrible des Filmgeschäfts ja nur zeigen wie eine so eindeutige, sittenkonforme Botschaft einen Film mit so viel Potential zerstören kann.

Nymphomaniac (Teil 2) kommt am 3. April in die deutschen Kinos.

 

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