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Pädophilie: Jenseits von Hysterie und Verklärung

Autor(en): Christoph Eichholz am Sonntag, 20. März 2011
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Günter Amendt ist kürzlich in Hamburg bei einem Unfall ums Leben gekommen. Bekannt geworden ist der renommierte Sozialwissenschaftler vor allem durch seine Publikationen zur Sexualität. Dabei wandte er sich entschieden gegen die mediale Hysterie, lehnte aber auch alle Versuche das Thema zu verharmlosen rigoros ab. Zwischen diesen Frontlinien, unverantwortliche Entspanntheit und exzessive Aufregung, finden allerdings die meisten Diskussionen über Pädophilie statt.
Über Pädophile wird meist heftig diskutiert. Der Stammtisch fordert gerne mal Kastration und die Todesstrafe für Kinderschänder, nicht zuletzt wegen der abschreckenden Wirkung. Und inzwischen hat auch die deutsche Prominez das Thema für sich entdeckt. Stephanie zu Guttenberg lockt Pädophile mittels Fernsehteams in die Falle, und Til Schweiger sekundiert in ihr Talk Shows und der Bildzeitung. Auch von den Grundrechten der Täter will Schweiger dabei nichts hören. Daran zu denken sei nur wieder typisch für das naive deutsche Gutmenschentum. Seiner Meinung nach habe jemand, der eine Sexualstraftat begeht, seine Rechte in dieser Gesellschaft verwirkt, sagte Schweiger in der ZDF Sendung "Markus Lanz". Doch noch häufiger, als die Forderung nach härteren Strafen, hört man aber die Forderung nicht wegzuschauen, und sich mit Gefahr von Kindesmissbrauch auseinanderzusetzen.

Der Ringelpiez der 68er

Tut man dies, findet man indes am anderen Ende des Meinungsspektrums sehr eloquent formulierte Meinungen, die sich für eine Legalisierung von Sexualkontakten mit Kindern aussprechen. Wenn dies gewaltfrei und einvernehmlich geschehe, sei dagegen nämlich nichts einzuwenden. Die psychischen Schäden der Kinder kämen auch nicht vom eigentlichen Sexualakt. Erst die reaktionäre Moral der Gesellschaft würde die Betroffenen dann im Nachinein traumatisieren. So argumentiert zum Beispiel auch Rainer Langhans, eines der Gründungsmitglieder der legendären Kommune eins:

„Man kann das durchaus so machen, dass das Kind dabei nicht zur Erwachsenensexualität vergewaltigt wird. Auf diese Weise können beide die Sexualität entdecken, und der Erwachsene kann dem Kind sogar zeigen was es jetzt kann und was es später einmal kann.“

Die Wissenschaft ist sich einig

Allerdings gibt es immer weniger Leute, die Rainer Langhans da zustimmen. Denn diese Positionen stammen aus dem Umfeld der 68er Bewegung, in der es bis in die neunziger Jahre hinein viele Stimmen gab, die sexuelle Kontakte zu Kindern für unbedenklich oder sogar förderlich für deren Entwicklung hielten. Es gab wissenschaftliche Studien, die diese Ansicht untermauerten, und etwa bei den Grünen wurde die Forderung, den Sex mit Kindern zu legalisieren in das Wahlprogramm für die Landtagswahl 1985 in Nordrheinwestfalen aufgenommen. In den Vergangenen zwanzig Jahren ist man von diesen Überlegungen aber wieder abgerückt - sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft.

„Unsere Haltung dazu ist, dass es keinen einvernehmlichen Sexualkontakte zwischen Kindern und Erwachsenen geben kann. Dazu gibt es nun wirklich auch eine Flut von Studien, die das belegen. Darüber ist man sich in der Wissenschaft also einig“, sagt die Diplom Psychologin und Sexualwissenschaftlerin Anna Konrad vom Berliner Universitätsklinikum Charité.

Vorsicht bei der Hexenjagd

Sex zu einem lehrreichen Ringelpiez-Spiel für alle Altersklassen zu verklären ist also offenbar keine gute Lösung für den Umgang mit Kindesmissbrauch. Da sind die 68er, bei all Ihren Verdiensten um die sexuelle Befreiung, wohl über das Ziel hinausgeschossen. Aber auch beim anderen Extrem, der Hexenjagd, muss man genau hinsehen. Denn wenn man nach den Schuldigen für die vielen sexuellen Übergriffe auf Kinder sucht, von denen man tagtäglich aus den Medien erfährt, bietet siche eine Gruppen quasi von Natur aus an: Die Pädophilen. Es gibt daher derzeit wohl auch kaum eine Gruppierung, die inbrünstiger verachtet wird. Dabei gibt die Sexualforscherinn zu bedenken, dass Pädophile vermutlich nur für ein Drittel der Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch verantwortlich sind. Weitaus mehr Täter missbrauchen Kinder aus Gründen, die mit ihrer sexuellen Neigung nichts zu tun haben. Und umgekehrt sind Pädophile auch nicht unbedingt Sexualstraftäter. Es sind zuerst einmal Menschen, die ein sexuelles Interesse an Kindern haben. Diese Neigung haben sie sich nicht ausgesucht, und sie können auch nur sehr wenig dagegen tun. „Pädosexuelle Neigungen haben eine starke Biologische Komponente“, erklärt Anna Konrad. Das heißt, man kann sie nicht einfach wegtherapieren. Und auch mit der chemischen Keule kann man nur wenig ausrichten: „Medikamente ändern nichts an der Neigung an sich, sondern helfen nur die sexuellen Impulse zu reduzieren.“

Kinderschutz ohne Hysterie

Aber was kann man tun, wenn man pädophil ist? Sexueller Kontakt zu Kindern ist aus guten Gründen verboten. An der Berliner Charité gibt es ein Projekt mit dem Namen „Kein Täter werden“. Hier werden Pädophile in Einzel- und Gruppentherapien dabei unterstützt, verantwortlich mit ihren sexuellen Präferenzen umzugehen. Sie werden dazu angeleitet, weder sexuellen Kontakt zu Kindern zu suchen, noch Kinderpornos zu konsumieren. Auch Anna Konrad arbeitet für das Therapieprogramm, das außer in Berlin auch noch in Kiel und Regensburg angeboten wird.

Anderswo ist es aber eher schwierig, als Pädophiler Hilfe zu bekommen. Nur sehr wenige Therapeuten sind bereit, sich dieses Themas anzunehmen. Dabei hat das Projekt wenig mit naivem Gutmenschentum zu tun. Das Ziel ist der Kinderschutz, der Erfolg wird wissenschaftlich überprüft. Man kann also die Gefahr von Kindesmissbrauch auch ganz ohne mediale Hysterie eindämmen. Jenseits von Ringelpiez und Hexenjagd. Und es gäbe hierbei noch genug zu tun - vor allem für Prominente, die ihren guten Namen nur allzu gerne für etwas einsetzen wollen.     

Hier gibt es Hilfe für Menschen mit pädophiler Veranlagung: Der Link zum Programm "Kein Täter werden"
www.kein-taeter-werden.de/start2.php →

Platte des Monats

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