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Protestkapelle mit Wunschzetteln

Autor(en): Marie Schoess am Samstag, 23. Juli 2011
Mitten auf der Neuhauser Straße sammelt Künstler Fabian Vogl die Wünsche der Münchner. Er fängt auf, was sie sich erhoffen – und warum sie für „bessere Rechtschreibung“ sind.

Wer zur Eröffnung der Kapelle der öffentlichen Meinung am 9. Juli einen Blick ins Innere des Holzgestells gewagt hat, würde sie heute wohl kaum wieder erkennen. Damals waren 60 fein aufgeklebte Plakate mit Szenen des Münchner Protests, Erinnerungen an Demonstrationen und Protestaktionen, zu sehen. Heute, kurz vor dem Ende des Projekts, sind davon nur noch Umrisse zu erkennen.

Stattdessen tummeln sich dort nun kleine Zettelchen und abgerissene Papierschnipsel mit Assoziationen zu den Plakaten sowie Wünschen, Enttäuschungen und Hoffnungen der Besucher. Politik wechselt sich mit Privatem ab, Ernstes mit Unbeschwertem, Fröhlichkeit mit Verzweiflung. So erbittet sich die kleine Gloria, Gott möge ihr „bite geben“, dass sie schlau wird.Ihren Wunschzettel, mit einer kleinen Zeichnung ausgeschmückt, pappt sie zwischen die Eingangstüren der Kapelle.

Ein Dialog unter Klebezetteln und Besuchern

Ein anderer Besucher hat um „weniger Pedophelie“ gebeten und damit seinen Nachbarn den Wunsch für „bessere Rechtschreibung in Deutschland“ in den Sinn getrieben. Es ist ein kleiner Dialog, der sich zwischen diesen Papierschnipseln ergibt, Gespräche, die förmlich auf die Besucher überschwappen. Immer wieder hört man, wie die Wünsche miteinander abgeglichen werden, oder wie das teilweise ironische Nebeneinander von den unterschiedlichsten Themen zum kurzen gemeinsamen Augenzwinkern ermuntert.

Besonders wenn neben dem Zettel „Wir sollten netter zueinander sein“ ein „Mehr Katzen im Club“ thront und sich neben „Ich bin gegen Protest“ ein Zettel mit der prompten Antwort „I'm against you“ seinen Platz sucht. Zensieren will Fabian Vogl die Gedanken und Assoziationen nicht, auch wenn er nicht alle Positionen teilen kann: „Gerade hing hier ein Zettel für die NPD, der aber nach zehn Minuten überklebt war. 'Gegen Atomkraft' steht da jetzt.“

Szenen des Münchner Protests

Das Kunstprojekt ist ein Teil der Reihe Protest in München seit 1945. Die Plakate zeigten allesamt Münchner Protestaktionen oder Demonstrationen der letzten 60 Jahre. Erinnerungen an Protest bilden so das Fundament für den neuen, den aktuellen Protest in München. Die kleinen Puzzlestücke, die jetzt noch zu erkennen sind, lassen nur noch erahnen, dass sich hinter ein paar Aufklebern eine Szene aus dem Jahr 1946 verbirgt, auf der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegen den Hunger protestiert wird. Hinter anderen verstecken sich noch die Umrisse von einer Demonstration gegen Faschismus. Im Hintergrund steht die Feldherrenhalle und ein zum Großteil zerbombtes München.

Als Vorbild für seine Kappele dienten Fabian Vogl Votivkapellen. Kirchen also, die aus Dank für die Errettung von einem vorherigen Leid gebaut wurden: „Früher sind da die Leute hingegangen, um für Gesundheit zu beten, damit es den Menschen wieder besser geht. Ich will das ähnlich machen. Nur offen für alle Leute, für die Öffentlichkeit.“ Ein Meinungsbild möchte er in seiner Kapelle abbilden, eine Ansammlung von Ideen, was besser werden kann und sollte. Und damit schafft er in einer der belebtesten Münchner Einkaufsstraßen eine kleine Utopie, die umströmt wird von hastig suchenden Passanten.

Wer selbst einen Wunsch abzugeben hat, kann das noch bis zum 25. Juli tun. Und damit die Plakate endgültig zum Verschwinden bringen.

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