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Vom Leben als weißer Massai

Shouka statt Bügelfalte

Autor(en): Elisabeth Kagermeier am Donnerstag, 30. Mai 2013
Quelle: Jascha Zittel

Gruppe von Massai in Tansania

Ohne Strom, fließend Wasser und öffentliche Verkehrsmittel leben? Das kann man sich bei uns nicht mehr vorstellen. Jascha Zittel schon: Er hat nämlich vier Monate bei den Massai in Tansania gelebt.

Ohne Strom, fließend Wasser und öffentliche Verkehrsmittel leben? Das kann man sich bei uns nicht mehr vorstellen. Jascha Zittel hat genau das gemacht: Er hat nämlich vier Monate bei den Massai in Tansania gelebt und als Lehrer gearbeitet. Was er dort alles erlebt hat und über Themen wie die weibliche Beschneidung, Bildung oder die Arbeit von Hilfsorganisationen berichten kann, könnt ihr hier nachlesen und im Schwabylon-Podcast nachhören.
 
Auf den ersten Blick sieht Jascha Zittel aus wie einer von vielen LMU-Studenten, die am englischen Garten die Sonne genießen: gut gekleidet, Dreitagebart, immer die Sonnenbrille auf der Nase. Man kann sich kaum vorstellen, dass der Politik- und Soziologiestudent noch vor ein paar Monaten ein sehr ursprüngliches und ressourcenbeschränktes Leben geführt hat – an einem Ort, wo man viele Stunden laufen muss, um zum nächsten Brunnen mit sauberem Wasser zu gelangen. Wo Jascha selbst Tiere erlegt hat. Und wo es noch kein Internet und keine Smartphones gibt, in die man sich vertiefen kann anstatt sich in realer Gesellschaft jeden Abend auszutauschen.
 
Shouka statt Bügelfalte
 
Doch Jascha hat genau an so einem Ort für vier Monate gelebt – und zwar in Tansania bei den Massai. Dabei hat er Beeindruckendes und Beneidenswertes erlebt – aber auch Grenzerfahrungen durchgemacht, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Sobald man sich mit ihm unterhält, merkt man ihm die Erfahrenheit und Weltoffenheit an, die er dadurch bekommen hat. In seinen Geschichten von Afrika trägt er nicht länger die Sonnenbrille und das schicke Hemd, sondern einen leuchtend roten Shouka-Umhang. Durch das Tragen der traditionellen Massai-Kleidung hat er sich bei dem Volk von Anfang an Anerkennung verschafft: „Dadurch haben sie gesehen, dass ich ihre Kultur respektiere und wirklich Interesse dafür zeige.“ Auch deshalb wollte Jascha alle Rituale des Volks selbst miterleben.
 
Gegen den Mainstream
 
Doch das Leben bei den Massai war nicht Jaschas erste Erfahrung mit fremden Kulturen. In seiner Schulzeit hat Jascha als Austauschschüler bei Mormonen gelebt – einer christlichen Glaubensabspaltung, die zusätzlich zu Bibel noch an das Buch Mormon glaubt. „Da ist mein Interesse für Leute mit einem alternativen Lebensstil und für soziale Randgruppen erwacht“, erzählt der 23-Jährige im Schwabylon auf M94.5. Speziell die Massai haben ihn aufgrund ihres Konflikts zwischen ihrem ursprünglichen Leben und der drohenden Globalisierung interessiert.
 
Eine verschwindende Kultur?
 
Die Massai sind trotz ihrer verhältnismäßig geringen Anzahl die wohl berühmteste Volksgruppe Afrikas – vor allem durch ihre auffallend bunte Kleidung und ihr Nomadengebiet in Kenia und Tansania nahe am Nationalpark, den Touristen auf Safaris bereisen. Da die Ländereien der Massai immer weiter beschränkt werden, wandelt sich das Volk gerade von einem Nomadenvolk in ein sesshaftes. Dadurch geht aber auch ein Stück ihrer Identität und Kultur verloren. Anstatt als Krieger untereinander um Vieh zu kämpfen, können sie nur noch eingeschränkt ihre kleinen Herden zu den Wasserstellen treiben. Durch die Begrenzung des Landes sollen die Massai langfristig modernisiert und die Flächen für den Tourismus genutzt werden.
 
Weibliche Beschneidung: Beginnendes Umdenken
 
Die Rechnung der Regierungen geht oft auf: Immer mehr Massai zieht es in die Städte. Jascha Zittel meint, dass die Offenheit der Massai gegenüber der westlichen Kultur aber nicht nur Schlechtes an sich hat: „Durch die zunehmende Bildung findet bei der jungen Schicht ein Umdenken beim Ritual der weiblichen Beschneidung statt. Einige beginnen einzusehen, dass das Ritual nicht mehr zeitgemäß ist.“ Jascha sieht hier auch die einzige Möglichkeit, dass das aus westlicher Sicht grausame Ritual bei den Massai in Zukunft wirklich nicht mehr praktiziert wird. Verbote helfen hier nichts, nur die eigene Einsicht. Und die wird durch den Kontakt zur westlichen Welt gefördert.
 
Doppelleben zwischen Stadt und Land
 
Doch auch der positive Aspekt kann nicht übertünchen, dass die Kultur der Massai so verloren gehen könnte. Aber hier haben die Massai Jascha wie so oft überrascht: Einige Massai schaffen es auch trotz eines Stadtlebens ihre Kultur weiterzupflegen: Sie führen ein Doppelleben. Einerseits haben sie ein westliches Leben in der Stadt mit Job in der Regierung oder der Tourismusbranche und andererseits kehren sie aber immer wieder zu ihrer Familie ins Massailand zurück und leben dort ursprünglich und spartanisch wie ihr Volk. 
 
Das Motto: Im Hier und Jetzt leben
 
Wie die Massai es oft schaffen, diese gegensätzliche Welt in ihre eigene zu integrieren, hat Jascha sehr beeindruckt – ebenso wie die Offenheit der Massai. Was er von seiner Zeit dort mitgenommen hat, ist letztendlich nicht der  Plan, ab jetzt radikal an Wasser und Nahrungsmitteln zu sparen. Stattdessen hat er dort ein Lebensmotto gefunden: Mit der Offenheit der Massai immer im Hier und Jetzt zu leben. Und wo beginnt man damit besser als mit einem Kaffee in der Sonne am englischen Garten?
 
Zum weiterhören ...
 
Was Jascha Zittel über Situation an den Schulen bei den Massai, seine spannenden Grenzerfahrungen und darüber erzählen kann, wohin die Spenden an Hilfsorganisationen wirklich fließen: Das und vieles mehr könnt ihr hier im Schwabylon-Podcast nachhören!
Bildergalerie
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