Völkermord auf der Theaterbühne
Milo Rau bringt mit seiner Inszenierung "Hate Radio" eine dunkle Episode der menschlichen Geschichte auf die Bühne des Volkstheaters.
Milo Rau, Regisseur und Vorsitzender des "International Intitute of Political Murder" bringt mit seiner Inszenierung "Hate Radio" eine dunkle Episode der menschlichen Geschichte auf die Bühne des Volkstheaters.
Die Geschichte des Genozids in Ruanda
Am 6. April 1994 trafen zwei Raketen das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Habyarimana. Daraufhin schaukelte sich in Ruanda der Hass die soziale Gruppe der Tutsi immer mehr auf, da sie für den Angriff verantwortlich gemacht wurden. Im April eskalierte die Situation und es kam zu einem der grausamsten Völkermorde der Geschichte, bei dem ungefähr eine Million Menschen ermordet wurden. Eine der treibenden Kräfte dieses Genozids war der Radiosender Radio-Télévision Libre des Mille Collines, kurz RTLM.
RTLM war der erste Radiosender Ruandas, der neue und moderne Musik spielte und auch internationale Songs im Programm hatte. Aufgrund seiner großen Hörerschaft konnte er bedeutenden Einfluss auf die Vorgänge im Land ausüben. Die vier Moderatoren, drei Angehörige der Hutu und ein Belgier nutzten diesen Einfluss, schwangen rassistische Reden und hetzten gegen die Tutsi-Minderheit.
Auf Grundlage historischer Dokumente
„Hate Radio“ ist als Re-Enactment betitelt, ist also eine Nach- Inzenierung der historischen Ereignisse auf Grundlage zeitgeschichtlicher Dokumente. Von Regisseur Milo Rau wird eine komplette Sendung des Radiosenders auf die Bühne gebracht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Moderatoren, die im detailgetreu nachgebauten Sendestudio agieren. Der unverblümte Aufruf zum Mord an den „Kakerlaken“ ist dabei eigentlich schon angsteinflößend genug. Doch was alles noch schlimmer macht, ist die lockere Art, mit der ihre Ideen vorgetragen werden und viel mehr noch die Musik, die der Sender spielt.
Titel wie „Ich hasse alle Tutsi“ erklingen, doch die größte Gänsehaut wird erzeugt, wenn „I like to move it, move it“ oder Nirvanas „Rape me“ („Für unsere Tutsi-Freunde da draußen“) gespielt werden, die auf der Bühne in voller Länge zu hören sind und die so wenig zur Situation passen. Das Stück wird auf Französisch und der ruandischen Volkssprache gespielt.
Da versucht wurde, so detailgetreu wie möglich zu inszenieren, ist das Stück sehr textlastig. Das bringt den Zuschauer in eine verzwickte Lage: Eigentlich will er dem Geschehen auf der Bühne folgen, ist jedoch ständig gezwungen, den deutschen Text oberhalb des „Sendestudios“ mitzulesen. Aufgrund des Textumfangs muss er das fast die ganze Zeit über, was sehr vom eigentlichen Theatererlebnis ablenkt und irgenwann sehr ermüdend wird.
Betroffene Stille im Zuschauerraum
Täter und Opfer kommen immer wieder in Videoprojektionen zu Wort, für die zuvor geführte Interviews nachgespielt wurden. Was man erfährt, ist so grausam, dass man es kaum fassen kann. Diese Zweiteilung - die tragischen Geschichten von Folter und Mord und im Gegensatz hierzu die völlig entspannten Moderatoren im Sendestudio - steigert die Wirkung der Szenen und des gesamten Stückes. Der Theaterbesucher, selbst ausgestattet mit Kopfhörern und Radioempfänger, wird zum hilflosen Zuhörer.
Mit den Worten „Wenn es einen Genozid gegeben hat, dann wird es noch viele geben“ endet der Theaterabend. Während im Hintergrund der Song „Le dernier slow“ läuft, das tägliche Abschiedslied der Radiosendung auf RTLM, herrscht im Publikum Stille. Niemand traut sich, zu klatschen oder zu sprechen. Man kann die Betroffenheit im Raum spüren und damit haben der Regisseur und sein Team auf jeden Fall erreicht, was sie erreichen wollten.
Weitere Stücke bei Radikal Jung 2012:
Korijolánusz
Rocco und seine Brüder
Die Geschichte des Genozids in Ruanda
Am 6. April 1994 trafen zwei Raketen das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Habyarimana. Daraufhin schaukelte sich in Ruanda der Hass die soziale Gruppe der Tutsi immer mehr auf, da sie für den Angriff verantwortlich gemacht wurden. Im April eskalierte die Situation und es kam zu einem der grausamsten Völkermorde der Geschichte, bei dem ungefähr eine Million Menschen ermordet wurden. Eine der treibenden Kräfte dieses Genozids war der Radiosender Radio-Télévision Libre des Mille Collines, kurz RTLM.
RTLM war der erste Radiosender Ruandas, der neue und moderne Musik spielte und auch internationale Songs im Programm hatte. Aufgrund seiner großen Hörerschaft konnte er bedeutenden Einfluss auf die Vorgänge im Land ausüben. Die vier Moderatoren, drei Angehörige der Hutu und ein Belgier nutzten diesen Einfluss, schwangen rassistische Reden und hetzten gegen die Tutsi-Minderheit.
Auf Grundlage historischer Dokumente
„Hate Radio“ ist als Re-Enactment betitelt, ist also eine Nach- Inzenierung der historischen Ereignisse auf Grundlage zeitgeschichtlicher Dokumente. Von Regisseur Milo Rau wird eine komplette Sendung des Radiosenders auf die Bühne gebracht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Moderatoren, die im detailgetreu nachgebauten Sendestudio agieren. Der unverblümte Aufruf zum Mord an den „Kakerlaken“ ist dabei eigentlich schon angsteinflößend genug. Doch was alles noch schlimmer macht, ist die lockere Art, mit der ihre Ideen vorgetragen werden und viel mehr noch die Musik, die der Sender spielt.
Titel wie „Ich hasse alle Tutsi“ erklingen, doch die größte Gänsehaut wird erzeugt, wenn „I like to move it, move it“ oder Nirvanas „Rape me“ („Für unsere Tutsi-Freunde da draußen“) gespielt werden, die auf der Bühne in voller Länge zu hören sind und die so wenig zur Situation passen. Das Stück wird auf Französisch und der ruandischen Volkssprache gespielt.
Da versucht wurde, so detailgetreu wie möglich zu inszenieren, ist das Stück sehr textlastig. Das bringt den Zuschauer in eine verzwickte Lage: Eigentlich will er dem Geschehen auf der Bühne folgen, ist jedoch ständig gezwungen, den deutschen Text oberhalb des „Sendestudios“ mitzulesen. Aufgrund des Textumfangs muss er das fast die ganze Zeit über, was sehr vom eigentlichen Theatererlebnis ablenkt und irgenwann sehr ermüdend wird.
Betroffene Stille im Zuschauerraum
Täter und Opfer kommen immer wieder in Videoprojektionen zu Wort, für die zuvor geführte Interviews nachgespielt wurden. Was man erfährt, ist so grausam, dass man es kaum fassen kann. Diese Zweiteilung - die tragischen Geschichten von Folter und Mord und im Gegensatz hierzu die völlig entspannten Moderatoren im Sendestudio - steigert die Wirkung der Szenen und des gesamten Stückes. Der Theaterbesucher, selbst ausgestattet mit Kopfhörern und Radioempfänger, wird zum hilflosen Zuhörer.
Mit den Worten „Wenn es einen Genozid gegeben hat, dann wird es noch viele geben“ endet der Theaterabend. Während im Hintergrund der Song „Le dernier slow“ läuft, das tägliche Abschiedslied der Radiosendung auf RTLM, herrscht im Publikum Stille. Niemand traut sich, zu klatschen oder zu sprechen. Man kann die Betroffenheit im Raum spüren und damit haben der Regisseur und sein Team auf jeden Fall erreicht, was sie erreichen wollten.
Weitere Stücke bei Radikal Jung 2012:
Korijolánusz
Rocco und seine Brüder