Filmfest 2015
Von Männern und Hühnern
Die Verwandtschaft lässt sich nicht bestreiten: Die Brüder aus "Men & Chicken".
Einer der abgefahrensten Beiträge zum diesjährigen Münchner Filmfest kommt aus Dänemark. "Men & Chicken" amüsiert und verstört gleichermaßen.
Mit denen stimmt was nicht, das sieht man gleich. Gabriel muss ständig irgendetwas hochwürgen und Elias hat eine derart ausgeprägte Libido, dass er alle paar Stunden auf die Toilette verschwinden muss, um zu onanieren. Aber außer einer operierten Hasenscharte scheinen die beiden Brüder nicht allzuviel gemeinsam zu haben. Gabriel ist Dozent für Philosophie und dementsprechend feingeistig, Elias hingegen, gespielt von Mads Mikkelsen, ist eher einfachen Gemüts und wirkt wie ein großes unbeholfenes Kind mit Schnauzbart.
Als dann der vermeintliche Vater der beiden verscheidet und ihnen posthum per Videobotschaft ausrichtet, dass sie adoptiert sind, scheint auch klar, warum sie so verschieden sind. Sie haben zwar einen gemeinsamen Vater, angeblich ein Wissenschaftler namens Evelio, der auf einer entlegenen dänischen Insel lebt, aber verschiedene Mütter. So zumindest behauptet das der Adoptivpapa.
Erstmal gibt's ordentlich auf die Fresse
Also machen sich die Halbbrüder auf den Weg, um Antworten von Evelio zu bekommen. Der Wissenschaftler haust in einem ehemaligen Sanatorium, und als Gabriel und Elias dort ankommen, werden sie zunächst sehr harsch von drei äußerst verschrobenen Herren empfangen. Anders gesagt: Es gibt erstmal ordentlich auf die Fresse. Das bevorzugte Kommunikationsmittel dieser Gestalten ist nämlich das Prügeln mit diversen Gegenständen, wie ausgestopften Tieren oder Holzlatten. Klingt bis hierhin schon ziemlich absurd, aber es wird noch abgedrehter in "Men & Chicken" (im Original "Mænd og Høns").
Die drei Prügelburschen sind nämlich ebenfalls Söhne von Evelio, und allmählich wird klar, dass hier etwas richtig faul ist. Überall auf dem Sanatoriumsgelände laufen Tiere herum, vornehmlich Hühner, von denen einige seltsame Deformitäten aufweisen - und von Vater Evelio keine Spur. Während Elias ganz gut zum Rest der "Famlie" zu passen scheint, kommt Gabriel sich eher vor wie im Irrenhaus. Er merkt schnell, dass er in den Keller muss, zwar nicht zum Lachen, aber um Antworten zu finden.
Schwarzer Humor mit Ekelfaktor
Der Oscar-prämierte dänische Regisseur Anders Thomas Jensen hat mit "Men & Chicken" sicherlich einen der verstörendsten Beiträge zum diesjährigen Filmfest geschickt. "Schwarze Komödie" ist wohl die treffendste Genre-Einordnung, wobei einem das Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt und auch ein gehöriger Ekelfaktor mit dabei ist. Grandios ist jedenfalls die schauspielerische Leistung sämtlicher Halbbrüder, die einen absurd-komischen Haufen abgeben.
Dem internationalen Publikum ist davon natürlich in erster Linie Mads Mikkelsen bekannt, den man zum Beispiel als Bond-Bösewicht in "Casino Royale" oder zuletzt in der Titelrolle der US-Serie "Hannibal" gesehen hat. In "Men & Chicken" spielt er eine ungewohnte Rolle jenseits seiner sinistren Fieslingsinterpretationen, und das funktioniert wunderbar. Es sei auch wärmstens empfohlen, den Film im Original mit Untertitel anzuschauen, weil alleine schon die dänische Sprache ein Erlebnis ist. Wer es aber nicht mehr rechtzeitig auf das Filmfest schafft, der kann die Männer und Hühner ab 2. Juli auch auf Deutsch im Kino sehen.
"Men & Chicken" ist im Rahmen des Filmfests nochmal am 27.06. um 15 Uhr im Citykino und am 29.06. um 15 Uhr im Kino Münchner Freiheit zu sehen. Am 02.07. kommt der Film in die deutschen Kinos.