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Dagobert im Interview

"Ich liebe alle Frauen"

Autor(en): Maria Fedorova am Montag, 8. Juni 2015
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Quelle: Quelle: Buback Tonträger

Dagobert

Der schweizer Barde hat sein neues Album "Afrika" im Milla präsentiert. M94.5 hat ihn kurz vor dem Auftritt besucht.

Im Rahmen seiner aktuellen Tour hat Dagobert die Schlager Musik wieder nach München gebracht und sein neun Album "Afrika" im Milla Club präsentiert. Auf dieser Tour kriegt Dagobert musikalische Unterstützung von einer Live Band und benimmt sich wie ein klassischer Pop-Star auf der Bühne: mit dem Mikroständer zwischen den Beinen und erhobenem Zeigefinger bringt er das ganze Publikum zum Mitsingen. Also Bella Lugoshi goes Freddy Mercury.


Wir haben den schweizer Barden vor dem Auftritt besucht, um mit ihm über neues Album, Frauen, Eskapismus und Berliner Boheme zu sprechen.


M94.5: M94.5 hat dein erstes Konzert zu deiner Debüt-Platte in München präsentiert. Damals warst du ohne Live Band unterwegs, sondern hast einen One-man Show gemacht. Und das mit einer ziemlich krassen Performance: hast provozierende Sprüche ins Publikum geworfen, dein Mikro kaputt gemacht. Überwältigen dich die Gefühl in dem Moment so stark oder ist es eine bewusste Punk-Attitude?

Dagobert: Ich hab mir nicht überlegt das zu machen, es ist öfters mal einfach passiert. Aber dann hab ich immer gemerkt, dass es gut ankommt und hab es dann regelmäßiger gemacht.

Trotzdem. Wie viel Punk steckt in Dagobert Jäger?

Ach, ich höre eigentlich überhaupt keinen Punk oder höchstens die Cramps, die kann man da noch halbwegs einordnen. Also dieses ganze Politische, was dem Punk auch ahhaftet, damit habe ich nicht so viel am Hut. Und Musikstile waren mir  grundsätzlich schon immer egal. Mir geht’s eigentlich nur um die Leute, die da was machen. Wenn die cool sind, dann können sie Punk machen oder Blockflöte spielen, ist dann egal.

Du hast mal erzählt, dass für dich körperliches Leiden zum Prozess von Songwriting oder Albumaufnehmen gehört. Wie zum Beispiel eine Woche nichts essen oder trinken.

Ja, das war vor allem früher. Wenn man jung ist, da macht man so komische Selbstexperimente. Ich fand's schon wichtig damals, die Dinge mit sich selber auszuprobieren. Wenn man ein Leben lang daran gewöhnt ist zu essen und zu trinken und überhaupt nicht weiß, was passiert, wenn man es einfach sein lässt, dann ist es einfach komisch. Deswegen dachte ich, ich muss es einfach mal ausprobieren. Jetzt habe ich etwas genauere Vorstellung davon und kenne deswegen meine persönlichen Grenzen besser und dadurch auch mich ein bisschen besser und kann dann viel mehr aus mir heraus ziehen. Das hat sich auf jeden Fall auf irgendeine Art gelohnt.

Konntest du dein neues Album „Afrika“ ohne körperliche Schmerzen aufnehmen?

Eigentlich ohne. Das war schon ein sehr langer und anstrengender Prozess, das ganze Aufnehmen. Aber ich muss nicht mehr wochenlang nichts essen und trinken, das habe ich alles ausgecheckt, wie das ist, das ist nicht mehr nötig.

Körper und Körperlichkeit spielen trotzdem eine Rolle auf deinem neuen Album. Dein Stil hat sich ein bisschen verändert: jetzt hast du Glam Rock Elemente, einen bestimmten Sex Appeal. Spürst du auch diesen Einfluss auf deine Musik. Früher hast du über eine Liebe zur Frau in einem puristisch romantischen Kontext gesungen. Kann man sagen, dass es jetzt mehr Richtung körperliche Liebe geht?

Ja, das erste Album war so kammermusikalisch intim, nur Liebesbriefe für eine Frau. Jetzt habe ich auf meinem zweiten Album das alles ein bisschen aufgebrochen und mehr Themen dazu gebracht, das stimmt schon. Und da werden noch sehr viele Themen hinzukommen auf den nächsten Alben. Und vielleicht läuft es zufälligerweise parallel zu meiner modischen Veränderung. Ist mir aber nicht aufgefallen, lustig das es dir auffällt.

Eine weitere große Veränderung auf deinem neuen Album ist das musikalische Arrangement. Mit „Afrika“ hast du einen musikalisch qualitativen Sprung nach vorne geschafft. Auch auf der Bühne hast du eine Live Band dabei.

Das war ein ganz natürlicher Prozess. Als ich angefangen habe, Konzerte zu spielen, da konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen noch einen Menschen neben mir auf der Bühne zu haben. Da dachte ich schon, es geht nur um mich. Diese One-man-Show hat dann auch gut funktioniert, ich bin aber damit auch auf gewisse Grenzen gestoßen und hab dann ein Interesse dafür entwickelt, Musik so im Moment entstehen zu lassen. Ich hab jahrelang Musik auf meinem Rechner zusammengebastelt und dann hat es für mich auch Sinn gemacht, das so vom I-Pod abzuspielen und dazu zu singen. Aber jetzt wollte ich, dass die Songs organischer werden und im Moment entstehen. Deswegen habe ich auch die neue Platte viel aufwendiger mit Musikern aufgenommen und dann hat es für mich auch Sinn gemacht eine Live Band zusammenzubringen. Jetzt habe ich mehr Möglichkeiten auf der Bühne. Mit dem Publikum kann man mehr anstellen und ich glaube, es ist auch ein bisschen verständlicher für viele Menschen. Es ist ein Schritt Richtung Menschheit.



Dein Gesicht ist nicht auf dem „Afrika“ Cover zu sehen. Kann man dich trotzdem auf dem Cover sehen? Vielleicht im Form von irgendeinem Tier?

Nein, das nicht. Die Idee war schon nach dem ersten Album, dass es immer nach der Art besprochen wurde, dass immer meine Person diskutiert wurde, und nicht die Musik. Da wollte ich mein Gesicht raushalten und die Leute dazu bringen, sich meine Musik anzuhören und nicht mehr dabei zu denken, was ist es jetzt für ein komischer Typ, der das gemacht hat. Weil es schon sehr extrem war bei dem ersten Album. Hat leider nicht funktioniert (lacht) in den ganzen Berichten geht’s mehrheitlich um meine Persönlichkeit.

So wie in unserem Interview heute? Wir reden jetzt auch über deine Gefühle und Erlebnisse…


Oh je (lacht). Mag sein. Wollen wir wir ein bisschen über Musik reden?

Ja aber dann landen wir wieder in Besprechung von Genres, im Baukastensystem von Stilrichtungen oder so ähnlich.

Stimmt. Das ist eigentlich nicht so spannend. Meistens.

Also kehren wir zurück zu deiner Persönlichkeit. Du hast schon mehrmals erwähnt, dass du versuchst deine eigene Welt zu kreieren, von der Gesellschaft zu fliehen. Wie war es damals, als du ein paar Jahre in der Berghütte verbracht hast? War es düster in der eigenen Welt? Ich hab mir gedacht, wenn du nichts von der Außenwelt mitkriegst, gibt es auch niemanden, der Depressionen diagnostizieren kann. In der eigenen Welt gibt es praktisch keine Depressionen?

Doch, gibt’s. An diese vollkommene Einsamkeit konnte ich mich dann leztlich viele Jahre auch nicht so wirklich gewöhnen. Irgendetwas fehlt dann doch so stark, dass man irgendwann nicht so richtig klar kommt. Das hat in meinem Fall auch schon zu sehr depressiven Phasen geführt. Deine Hypothese muss ich damit leider zerschmettern.

Das Ende von dem „Afrika“ Album fand ich ziemlich düster...

„Das traurige Ende eines schönes Tages“?

Genau. Beschreibt der Song deinen akuten Zustand? Fühlst du dich wie ein alter Mann?

Ja ich fühle mich wie ein alter Mann seitdem ich Teenager bin. Von Gefühl her bin ich schon immer 61. Ich weiß nicht genau, woran es liegt aber es fühlt sich mit jedem Jahr mehr so an als würde ich zu mir selber werden und dass ich eigentlich noch nicht ganz so der bin, der ich eigentlich bin.

 

Interview: Maria Fedorova

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