Hinds sind aktuell wohl der größte Hype im Gitarrenmusik-Kosmos! Die vier Chicas aus Madrid sind 2016 von keiner Bühne mehr wegzudenken.
Ihre Tour zum ersten Album „Leave Me Alone“, das Anfang Januar rauskam, führte die Spanierinnen am Dienstag (26.01.2016) nach München ins Milla, wo wir sie zum Interview getroffen haben.
Wenn Hinds in der Nähe sind, dann geht es wohl selten ruhig und gesittet zu. Ich werde von lautem Gelächter begrüßt, als ich hinter den Vorhang in den Backstage Bereich des Milla eintrete. Carlotta, Ana, Ade und Amber wuseln in dem kleinen Raum hinter der Bühne zwischen Jackenbergen und Taschen herum. Auf dem Tisch: Teller mit halb aufgegessenen Nudeln und - klar - ein paar Flaschen Bier. Für das Interview gehen wir ins Treppenhaus, weil auf der Bühne die Vorband Sun Club noch mit dem Soundcheck beschäftigt ist.
Ihr seid eine echt fröhliche Truppe, lacht immer wenn ihr auf der Bühne seid, Backstage sowieso. Warum habt ihr eurer Debüt Album denn dann "Leave Me Alone" betitelt? Das passt irgendwie nicht so recht ins Bild...
Ana: Obwohl es so aussieht, als ob wir immer nur Spaß hätten, ist das in Wirklichkeit nicht so. Wie andere Menschen auch fühlen wir uns manchmal traurig, wütend oder so. Der Albumtitel "Leave Me Alone" bezieht sich allerdings mehr darauf, dass wir keine Meinung von Fremden haben wollten, während wir an dem Album gearbeitet haben. Wir wollten kein Lob, keine Kritik hören, die unsere Art Songs zu schreiben hätten stören können. Wir haben alle Songs geschrieben, sind ins Studio gegangen, haben die Songs aufgenommen, gemixt. Und erst als wir mit allem fertig waren, sind wir damit zu einem Label gegangen. "Leave Me Alone" bedeutet: das ist unser Ding. Wenn es den Leuten gefällt, ist das toll, wenn nicht, ist das aber auch völlig okay. Wir lieben es und sind stolz darauf.
"Our Shit, our Rules", das ist euer Motto, habe ich mal gelesen.
Ana: Ganz genau!
Du, Ana, und Carlotta, ihr habt als ein Duo angefangen. Ade und Amber kamen ein bisschen später dazu. War das Geschlecht ein Kriterium, um für die Band ausgewählt zu werden? Wolltet ihr schon immer eine reine Girl Band sein?
Ana: Wir haben zwar nicht direkt gesagt, dass wir unbedingt eine Girl Band sein müssen. Als wir unsere ersten Songs geschrieben haben, wussten wir bereits, dass wir Schlagzeug und Bass brauchen würden, um den Sound hinzubekommen, den wir wollten. Wir haben eine ganze Weile nach neuen Mitgliedern gesucht, die Bass und Schlagzeug übernehmen könnten. Ade kannten wir damals auch schon. Sie hat uns bei der Suche geholfen. Wir haben auch daran gedacht, unsere Freunde zu fragen, aber alle Freunde, die Instrumente spielten, waren Jungs. Wir hatten Angst, dass es nicht dasselbe sein würde. Als reine Mädels Band fühlen wir uns freier. Wir wollten auch nicht, dass die Leute denken, die Jungs würden alle Lieder schreiben und wir wären nur Poser. Außerdem haben all diese Typen schon jahrelang in Bands gespielt. Das hat uns auch ein bisschen eingeschüchtert, weil wir befürchtet haben, dass wenn einer von ihnen dann sagen würde: "Oh, dieses Riff würde ich aber nicht als Chorus nehmen", wir dann sofort einlenken würden. So wie es jetzt ist, reden wir über alles und machen, was wir alle für das Beste halten.
Was glaubst du, warum es so wenige reine Girl Bands im Garage Rock gibt?
Ana: Ich glaube, dass liegt in Geschichte und Kultur. Sexismus gibt es schon seit Ewigkeiten. Schritt für Schritt entwickelt sich die Welt in dieser Hinsicht zum Besseren, aber im Rock'n'Roll ist es immer noch sehr schwierig für Frauen. Ich weiß auch nicht genau, warum. Aber die Tatsache, dass es nicht so viele Frauen wie Männer gibt, die Musik machen, führt dazu, dass junge Mädchen gar nicht auf die Idee kommen, selbst Musik zu machen. Wir haben selbst erst mit der Musik angefangen, als wir schon erwachsen waren. Als wir noch kleiner, so 10 Jahre alt waren, haben wir keine Frauen in Bands spielen sehen. Es hat uns zwar niemand gesagt, dass wir keine Musik machen könnten, aber von selbst sind wir nicht auf die Idee gekommen.
Ihr seid auch sehr gut mit der Band The Parrots, ebenfalls aus Madrid, befreundet. Ist das allgemein so in Madrids Musikszene, dass Bands sich gut kennen und gerne zusammen arbeiten?
Ade: Nicht nur bei Bands ist das so. Da gibt es zum Beispiel Musikblogger, die auf ihren Websites über die Bands in Madrid berichten. Mit denen ist man auch befreundet. Es gibt so ungefähr 50 Leute in unserem Umkreis, die eine kreative Szene formen. Jeder macht neben seinem Studium oder Job noch irgendetwas Kreatives. Musik, Kunst, ganz egal. Zum Beispiel gibt es Fotografen, die dann Fotos von den Bands machen, die dann wiederum auf den Musik-Websiten landen. Alles hängt miteinander zusammen. Das ist total cool! Jeder kennt jeden und wir hängen zusammen ab.
Wie war es denn, als ihr von einem Moment auf den anderen so große Aufmerksamkeit bekommen habt? Und Auftritte im europäischen Ausland und sogar in den USA angeboten bekommen habt?
Ana: Das war so verrückt! Ich erinnere mich an den ersten Gig, den wir außerhalb Spaniens gespielt haben. Es war der vierte Gig, den wir jemals gespielt haben und es war in London - eine ausverkaufte Show! Wir konnten es einfach nicht glauben. Uns war allen schlecht vor Aufregung. Wir dachten, wir sind nicht bereit dafür, wir sollten das lieber absagen und in 2 Monaten noch einmal wiederkommen. Das hätten normale Leute vielleicht gedacht, schließlich hatten wir vorher erst drei Shows gespielt. So etwas passiert normalerweise keinem in Spanien, Agenten und Booker, die anrufen und dich sehen wollen. Unser Manager hat sofort gesagt: wir machen es! Bei uns ist einfach alles ein bisschen früher passiert, als es im Idealfall vielleicht hätte passieren sollen. Gerade fühlen wir uns aber, als könnten wir alles erreichen, was wir uns vornehmen.
Auch an diesem Abend in München versprühen Hinds durchweg gute Laune auf der Bühne und bringen das ausverkaufte Milla zum Tanzen. Spätestens als "Chili Town" erklingt, gibt es kein Halten mehr!
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