Platten vor die Säue
Jamie Woon - Making Time
Um in der Zukunft anzukommen, musste Jamie Woon, mit seinem goovig-jazzigen zweiten Album, ein paar Schritte in die Vergangenheit gehen.
Als 2011 das Debütalbum „Mirrorwriting“ von Jamie Woon erscheint, ist es eine Enttäuschung. Nicht, dass das Album schlecht gewesen wäre – der mittlerweile 32-jährige Brite will einfach zu viel. Die Mischung aus R’n’B, Soul und dem damals angesagten Dubstep, im Stile eines James Blake und Konsorten, wirkt über weite Strecken zu aufgesetzt und künstlich. Dabei waren die Voraussetzungen für eine große Karriere eigentlich gegeben – und das zeigt er nun auch auf seinem Zweitwerk „Making Time“
Von der BRIT-School in den Pophimmel
Wie schon vor ihm Amy Winehouse und Adele absolviert Woon die renommierte BRIT-School, DIE Künstlerschmiede auf der Insel. Und schon mit seinem ersten, selbstproduzierten Song, einer Version des Folksongs „Wayfaring Stranger“ aus dem 19. Jahrhundert, den er praktisch nur mit seiner Stimme instrumentiert, war für viele klar: hier kommt der neue Star am britischen Pophimmel. Doch es sollte anders kommen.
Vier Jahre nach „Wayfaring Stranger“ erscheint endlich auch das Debütalbum „Mirrorwriting“ und das Timing hätte kaum schlechter sein können. James Blake und The XX haben eine neue Zeit für elektronische Popmusik ausgerufen und „Mirrorwriting“ ist nur ein Produkt von vielen und bleibt beinahe ein Ladenhüter. „Mirrorwriting“ hat zwar alles, was eine moderne Pop-Platte im Jahr 2011 braucht, und doch bleibt das Gefühl, dass Jamie Woon nur auf den fahrenden Zug aufspringt und hauptsächlich versucht, zu gefallen.
Zurück auf Start
Mit seinem neuen Album „Making Time“ macht Jamie Woon nun das richtig, was an "Mirrorwriting" nicht gestimmt hat. "Making Time" klingt modern und doch warm und nicht so clean und synthetisch wie der Vorgänger. Mit einer tollen Liveband spielt er seine Songs im Bereich zwischen R’n’B, Soul, Pop, Jazz und klassischer Songwriter-Schule und geht damit endlich den Weg konsequent weiter, den er mit seinen frühen Singles und EPs angefangen hat. Die Songs sind clever, gut arrangiert, nicht anbiedernd und - das ist der größte Unterschied zum Vorgänger - absolut unverkrampft beim Versuch, "modern" zu klingen! Songs wie das jazzige Soulstück „Lament“, in Kombination mit dem unwiderstehlichen Groove von „Sharpness“ oder dem 90er-Soul inspirierten Albumopener „Message“, machen „Making Time“ zu einem unglaublich hörbaren, perfekt produzierten Album, das in keinem Moment in Anspruchslosigkeit abrutscht, sondern immer einen kleinen, besonderen Twist hat. Es erfordert schon Mut und Risiko einen solchen Zweitling aufzunehmen, doch mit „Making Time“ macht er (fast) alles richtig.
Willkommen zurück, Jamie Woon.
Nachtrag
Natürlich ist das Album nicht perfekt. Es ist etwas zu kurzweilig und in manchen Momenten zu einfach gestrickt. Auch der ultimative Hit fehlt. Es bleibt aber dennoch zu hoffen, dass Jamie Woon endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die er (schon seit etwa 10 Jahren und dem fantastischen „Robots“) verdient hat.
Gesamtbewertung: 4 von 5 Punkten
Auch die Münchner Soulstimme AMI ist ganz begeistert von Jamie Woons neuem Album.