Die britische Tageszeitung The Guardian stellt fest: "East London hipsters are partying like it's 2003". Die Futureheads und Maximo Park sind demnach stark im Retro-Aufschwung vertreten. Die wirklich neue Musik scheint sich derzeit aber an den Indiebands der 00er Jahre anzuschließen - so auch Breton. Das Quintett stammt aus dem Londoner Südosten. Erst 2010 gegründet, hat man schon HipHop-Lyriker Ghostpoet und Club-Multiinstrumentalist Tom Vek auf Tour unterstützt. Am 30. März erschien ihr erstes Album „Other People's Problems“.

Hilfe zu Selbstverwirklichung war eigentlich alles, was Breton noch brauchten, als sie bei FatCat Records unterschrieben. Denn bis hier hin hat das Quintett aus dem Londoner Südosten schon einiges völlig selbstständig gerissen: Remixe für The Temper Trap oder die Local Natives, Preise für ihre selbstgedrehten Independent Filme, Videos etwa für Triphop Legende Tricky. Die Musik, die ihre filmischen Kreationen nur untermalen sollte, wurde schließlich über Hemlock Recordings veröffentlicht. Dieses Label muss man als junger Elektroniker in London scheinbar einfach mal durchlaufen haben - James Blake und Mount Kimbie bestätigen das.

Bereits für ihr erstes Album sind Breton gereist. „Other People's Problems“ wurde in den isländischen Studios von Sigur Ros aufgenommen. Spätestens während der sensitiveren Songs („2 Years“) wird offenbar, wie filigran und pointiert Produzent Andrew Bush und die Fünf hier zu Werke gingen. Das szenenhaft cineastische bleibt Bretons Songs bislang sicher, viele leben vor allem von der Atmosphäre. Die kreieren nicht selten zum reißen gespannte Verzerrer, angefeuert von aufgebrachten Parolen („Ghost Note“).

Da gleicht der Prototyp eines Breton Hörers vor dem geistigen Auge schnell den Jugendlichen im erfolgreich viralen Video zu „Edward the Confessor“: Wütend, brodelnd, explodierend. Innerlich gekrümmt, nach außen hin stramm. Der neue Arbeiterstolz des Britanniens aus der 90er Jahren, hinübergeglitten in Grimassen, die allem und jedem gelten könnten.

So sieht er aber nicht aus, der prototypische Hörer. Er ist distanziert und reflektiert. Breton stehen in ihrer Wirkung zwischen einer Form der modernen urbanen Kultur, die der Rezipient für sich wählen kann, und einer anderen Form von urbaner Kultur, an der man nur dann Teil hat, wenn man mit ihr aufgewachsen ist. Authentisches Lebensgefühl und ästhetisches Empfinden agieren im Pop-Geschehen gleichermaßen. Wer im grauen Plattenbau nicht sein zu Hause gefunden hat, versteht ihn vielleicht als Sinnbild einer fremden Gesellschaft direkt nebenan. Auf dem Cover von „Other People's Problems“ umgibt ihn beides: Sonnenschein und Unwetter.

Der entscheidungsfreie Hörer knüpft sein ehrliches Interesse auch an Klänge, die ihm die Hand reichen und die ihm vertraut sind: Elektronika, HipHop und aber auch immer deutlicher Indierock. Der Sound aus einer ausgehbeginnenden Jugend. Mag der Guardian derzeit auch beobachten, dass die „Class of 2003“ im Osten von London wieder gefeiert wird: Deren Vorgänger, die erste Klasse, ist noch aktiv. Und Bloc Party müssten auf ihrem kommenden Album, wollen sie weiterhin mit scheinkarger schneidiger Modernität auftrumpfen, klingen wie Breton.

Other People`s Problems von Breton erschien am 30. März 2012 bei Fatcat (rough trade)