FKA twigs - LP1 [Young Turks/XL Recordings]
Platte des Monats August 2014
Sex als Kunst? FKA twigs zeigt auf ihrem Debüt LP1, wie verletzlich und doch dominant Musik sein kann. Und das führt die Britin auch par excellence vor.
Wirklich nahe kommt man FKA twigs, der geschaffenen Figur von Thalia Barnett, auf ihrem Debüt LP1 nicht. Auf zehn Songs tobt sie sich unter ihrem Pseudonym aus, das ihr zugleich als dynamische Kunstfigur dient. Diese überzeugt nicht nur musikalisch und visuell, sondern auch als ganzes Komplex.
FKA twigs - Ein Avatar, der singt und tanzt
Es ist nicht lange her, als Thalia mit ihrem Videogirl-Job in Clips von Kylie Minogue, Taio Cruz und Jessie J ihr Geld verdiente. Schon da blitzte in ihren eckigen Bewegungen der Avatar FKA twigs auf, der da schon fern und gleichzeitig verletzlich wirkte. Diese fragile Seite zeigt sich in in ihren ersten Worten der Platte in Preface: I love another and thus i hate myself. I love another and thus i hate myself. Die Thematik wird einem sofort klar, um die es sich auch fortan drehen wird: Liebe, Sex, Sehnsucht und Zurückweisung. Das überrascht an einem RnB-Album zwar nicht, jedoch übermittelt FKA twigs eine Dringlichkeit, die stets zu fühlen ist.
Keine Liebe und kein Höhepunkt
Zumal weiß sie mit einer Stimme zu überzeugen, die gleichzeitig mehrere Ebenen eröffnet. Hauchend und sakral schwebt sie in Preface über dem Beat, derweil hallt im Hintergrund ein chorales Gewand und zum Ende hin erklingt ein verzerrtes Stöhnen. Nach und nach vermischen sich die Ebenen und der Song endet in einem Finale, das nicht so wirklich eines ist. Kein Drop, kein dröhnender Bass. Der Song verfällt so asynchron, wie er konstruiert wurde. Danach ist ein Moment lang Stille. Bis der nächste Song beginnt.
Eines haben alle Tracks gemein: ihre Struktur und ihren Aufbau, der nach keinem sturen Schema verläuft. Einzelne Sequenzen werden auf- und abgebaut, vermeintliche Höhepunkte be- und entschleunigt. Dafür verantwortlich zeigt sich – neben EP2-Kollaborateur Arca und Producer Emile Haynie, der mit Eminem, Lana Del Ray und anderen Größen arbeitete – auch FKA twigs selbst. Sie produzierte den Großteil der Platte, wie sie im Interview mit uMagazine betont, und baute einen harten Sound. Einer, in dem flüchtige Drums im Hintergrund rattern, lose Synthie-Decken durch zitternde 808s durchlöchert und Sequenzen zur Unendlichkeit perpetuiert werden. Das wichtigste Instrument bleibt aber ihre Stimme, die sich durch die harte Atmosphäre durchschlängelt, das Geschehen dominiert und sich von der Produktion abheben kann, um wie im heimlichen Star des Albums Pendulum ihrem Schmerz den nötigen Raum zur Artikulation zu geben.
Eine Domina, die keine ist
Auch in den Videos, in denen FKA twigs in der Regie involviert gewesen ist, hat sie den Hang zur Perfektion. Einzelne Videosequenzen wiederholen sich und es gibt meist nur wenige Videoeinstellungen, die nur eine Perspektive zeigen. Dabei stimmt jedes Detail und sie lebt sich in den unterschiedlichen Rollen aus, sei es in Two Weeks als überdimensionale Halbgöttin oder als hyper-geschminktes Mädchen mit vergrößerten Augen in Water me aus EP1. Sie zeigt sich offen von ihrer schwachen Seite. Gleichwohl präsentiert sie sich von einer dominanten Seite und sitzt erhaben auf dem Thron in der kreierten Welt. Beide Seiten spiegeln sich auch so in ihren Videos und das Ganze bewegt sich auf einer eisig-zarten Oberfläche, die man dem Gefühl nach nicht brechen kann. Man sieht und hört nur, was gesehen werden darf. Grenzen bleiben Grenzen und werden nicht überschritten. Preface – Oberfläche, so heißt der erste Song und bedeutet wie so oft mehr, als auf der ersten Ebene ersichtlich.
FKA twigs schafft mit ihrem Debüt ein konzentriertes Werk, das ästhetisch höchste Ansprüche erfüllt. Sie schafft ein Konstrukt, das klar und gerade ist, weniger frei und offen, eher konzentriert und stringent. Den Zugang findet man durch die Musik. Kein Laut harmoniert nicht mit dem Rest, kein Wort ist zu viel. Sie schafft einen leeren Raum mit unsichtbaren Ecken und Kanten, den sie Song für Song kurz erhellt. Nach zehn Songs ist Stille. Äußerlich konnte man einen Blick erhaschen. Näher kommt man FKA twigs nicht.
LP1 von FKA twigs erscheint am 8. August 2014 auf Young Turks/XL Recordings.