67 Jahre Umgang mit einem Paradoxon
13. Februar 1945, 22.13 Uhr: Der Himmel über Dresden ist hell erleuchtet. In den nächsten vier Stunden werden in vier Luftangriffen rund 650.000 Bomben vom Himmel fallen – Sprengbomben, Minenbomben, Brandbomben. Dresden brennt.
Die Royal Airforce und die U.S. Army bombardieren im Zuge des Zweiten Weltkriegs Dresden. Bis zu 25.000 Menschen sterben. Sie ersticken oder verbrennen. Dresden galt als wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Prag, Berlin, Leipzig, Nürnberg und Warschau.
Umgang mit einem Paradoxon
Das Geschehen ist schwer einzuordnen. Auf der einen Seite steht ein schreckliches Kriegsverbrechen, bei dem zahlreiche Zivilisten den grausamen Flächenbombardements zum Opfer fielen. Auf der anderen Seite lädt die Tat der Alliierten regelrecht dazu ein, die jahrelangen, schrecklichen Verbrechen der Nationalsozialisten in Dresden verblassen zu lassen. Es ist ein paradoxes Beispiel dafür, dass man selbst heute, 67 Jahre nach Kriegsende nicht weiß, wie man deutschen Opfern des Zweiten Weltkriegs gedenken soll, ohne dabei die Kriegs-Verbrechen des Nazi-Regimes zu relativieren. Denn obwohl die Bombardierung Dresden in Trümmer legte und tausende von Zivilisten ums Leben kamen, kann man den Angriff nicht mit dem Genozid an Millionen von Juden gleichsetzen.
Nutzen für die Rechte
Noch immer hält sich der Mythos des entmilitarisierten Dresdens 1945, der barocken Kunststadt, die einem Terroranschlag zum Opfer gefallen sei. Diesen Mythos nutzen Nationalsozialisten jährlich, um der „deutschen Opfern des Zweiten Weltkriegs“ am Jahrestag der Bombardierung in Dresden zu gedenken. Seit rund 15 Jahren veranstalten sie den sogenannten „Trauer- und Fackelmarsch“. 2009 reisten über 7000 Nationalsozialisten aus ganz Deutschland nach Dresden. Der größte Nazi-Aufmarsch Europas nach dem Krieg.
Reaktionen aus Dresdens Mitte
Aber Dresden wehrt sich: 2011 demonstrierten rund 20.000 Menschen und versuchten, den Nazi-Aufmarsch zu blockieren. Dazu ruft das Bündnis „Dresden-Nazifrei“ auch dieses Jahr wieder auf. Die Initiative bietet in diesem Jahr einen „Täterrundgang“ an, eine historische Stadtführung, bei der die Orte besucht werden, an denen das NS-Regime schwere Verbrechen begangen hat. 2011 wurde dem Rundgang der Initiative nicht stattgegeben. Sachsens Regierung um Stanislaw Tillich tut sich noch immer schwer, mit dem Geschehen am 13.2. umzugehen. Obwohl man „Zeichen gegen Rechts“ setzen müsse, gehöre der 13. Februar dem "stillen Gedenken". So heißt es im Rathaus. Nach dem Motto: „Mit Mut, Respekt und Toleranz – Dresden bekennt Farbe“ soll immerhin eine Menschenkette gebildet werden, um Widerstand gegen die Rechtsextremen zu demonstrieren.
Polizei gegen Linke
Die Initiative Dresden-Nazifrei geht weiter: Sie will die Aufmärsche blockieren und verhindern. In einer Stellungnahme heißt es: „Am 13. Februar 2011 schaut die Welt wieder für einen Moment auf Dresden und Deutschland. Auch wenn die Verhinderung eines Naziaufmarsches das dahinter stehende Problem nicht löst, stärkt sie den Zusammenhalt der demokratischen Zivilgesellschaft und wirkt zudem demoralisierend auf Nazis, die von der deutsch-europäischen Dauerpolitik- und Demokratieverdrossenheit versuchen zu profitieren.“ Die Demonstration im letzten Jahr wurde von einem großen Skandal überschattet: Telefone antifaschistischer Demonstranten wurden von der Polizei überwacht. Außerdem wurden etwa zwanzig Leute, die sich im Pressebüro des Nazifrei-Bündnisses aufgehalten haben, angeklagt. Der Vorwurf: Sie sollen einen Angriff auf einen Bus von Neonazis geplant haben.
Signal für Frieden
Man kann davon ausgehen, dass sich auch in diesem Jahr ein geschlossenes Dresden der paradoxen Geschichtsrevision der Rechtsextremen entgegenstellt. Eins darf aber gerne fehlen: Die Gewaltbereitschaft zahlreicher Linksextremer aus dem letzten Jahr. In einem Statement auf der Internet-Seite von Dresden-Nazifrei heißt es jedenfalls von den Grünen: „Der 13. Februar kann dann wieder zu einer Mahnung werden, den Keimen von Krieg entgegenzutreten und ernsthaft zu fragen, wie dem Frieden in der Welt zu dienen ist.“
Bildquelle: Jusos.de (Flickr) unter CC BY-NC 2.0