Was denkt ein Luxemburger über die EU?
Claude Biver aus Luxemburg
Hunderte Millionen Europäer wählen ein neues EU-Parlament. Aber was denken die Menschen in den verschiedenen Staaten über die EU? M94.5 hat nachgefragt.
Hunderte Millionen Europäer wählen ein neues EU-Parlament. Aber was denken die Menschen in den verschiedenen Staaten über die EU? M94.5 hat nachgefragt.
Name: Claude Biver
26 Jahre alt
kommt aus Luxemburg
lebt in München
studiert Politikwissenschaft und Soziologie
Claude über die EU:
Die EU ist ein Projekt, das in seiner Geschichte ihresgleichen sucht. Noch nie wurden so viele unterschiedliche Nationen ohne Gewalt, sondern freiwillig zusammengehalten. Noch nie konnte auf dem europäischen Kontinent so lange Frieden und so viel Kooperation erreicht werden wie mit der Europäischen Union. Noch nie sind die verschiedenen und unterschiedlichen Menschen innerhalb eines Kontinents so nah zusammengerückt.
Auch wenn ein Großteil der nationalen Gesetze mittlerweile lediglich die Umsetzung von europäischen Richtlinien ist, ist dies nicht zwingend als negativ anzusehen. Gemeinsame europäische Standards, sei es bei den Steckdosen, bei einem Mindeststandard bei der Produktion von elektronischen Geräten, bei einer gemeinsamen Agrarpolitik oder bei umweltschützenden Maßnahmen, eine gemeinsame europäische Politik schwächt die Länder nicht, sondern im Gegenteil, sie stärkt die Länder. Sie sorgt dafür, dass wir mit einer gemeinsamen Stimme auf dem internationalen Parkett reden können, sei es bei sicherheitstechnischen oder bei wirtschaftlichen Fragen.
Die EU ermöglicht es uns, obwohl wir nur 6% der Weltbevölkerung stellen, 25% auszumachen. Durch offene Grenzen und einen gemeinsamen europäischen Innenmarkt sind wir in der Lage, gemeinsam und geschlossen bei der internationalen Wirtschaft mitzureden. Unsere gemeinsame Währung, der Euro, hat diese wirtschaftliche Kraft noch weiter gestärkt. Aber meine Begrifflichkeit einer EU hört nicht bei dem wirtschaftlichen Aspekt auf. Es geht nicht nur darum, China oder der USA die Stirn zu bieten. Es geht nicht nur darum, als Bewohner näher zusammenzurücken.
Die EU ist für mich mehr als nur eine „Schicksalsgesellschaft“ oder wirtschaftliche Kraft. Die EU stellt für mich auch kein bürokratisches Monster und auch keine Institution, die uns in Dunkelkammern Gesetzen aufzwingt. Europa bedeutet für mich eine einzigartige Chance. Die EU ermöglicht es Jahr für Jahr unzähligen Student*innen ins Ausland studieren zu gehen und sie ermöglicht die grenzenlose Freizügigkeit. Der ständige kulturelle Austausch zwischen den unterschiedlichen Nationen stärkt ein Zusammengehörigkeitsgefühl und führt uns näher an eine starke Europäische Integration. Die Mehrsprachigkeit und Interkulturalität der Europäischen Union ist hierfür wegweisend.
Trotz aller Vorzüge, welche die Europäische Union zu bieten hat, muss man der Realität ins Auge sehen: Vieles in der EU ist verbesserungswürdig und kann kritisiert werden. Die mangelnde Transparenz, die demokratischen Defizite und Komplexität und Kompetenzen der europäischen Institutionen sind nur einige der Themen, welche in Zukunft ausreichend debattiert werden müssen. Wir befinden uns an einem Scheideweg und müssen uns entscheiden, in welche Richtung die EU gehen wird. Deshalb sind für mich die Europawahlen so wichtig.