LMU im Kriegsdienst?
Die Münchner Universität erhält amerikanische Geldspritzen in Millionenhöhe zur Sprengstoffforschung. Sie ist in guter Gesellschaft.
Die Münchner Universität erhält amerikanische Geldspritzen in Millionenhöhe zur Sprengstoffforschung. Sie ist in guter Gesellschaft.
„Made in Germany“ - das Label steht für Qualität. Seit dem Jahr 2000 belegt Deutschland auch Spitzenplätze im Bereich der Rüstungs- und Waffenforschung. An 22 deutschen Hochschulen und Forschungsinstitutionen wird an der Effizienz von Sprengstoffköpfen, der Programmierung von Drohnen und der Verbesserung von Panzerglas gearbeitet, dank finanzieller Förderung in Millionenhöhe durch das amerikanischen Verteidigungsministerium.
Knapp 10 Millionen Dollar vom Pentagon
Insgesamt 9,4 Millionen Dollar haben 22 deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute seit dem Jahr 2000 aus dem Haushalt des US-Verteidigungsministeriums erhalten. Laut Recherchen des NDR und der Sueddeutschen Zeitung durfte sich die LMU im letzten Jahr über 470.000 Dollar freuen, die größtenteils in die Sprengstoffforschung von Prof. Dr. Thomas Klapötke investiert wurden. Eine Sprecherin der Universität in München verteidigt die amerikanische Investition, die weniger als 1% aller jährlichen Drittmittel der LMU ausmache.
Auch die Fraunhofer-Gesellschaft kooperiert mit den USA zur Entwicklung von Sprengköpfen und zur Verbesserung von Panzerglas. Ebenso die Universität Marburg, die Orientierungssysteme für Drohnen und 'präzisionsgelenkte Munition' entwickelt. Andere Institute, die amerikanische Geldspritzen erhalten, sind unter anderem das Max-Planck-Institut, das Leibniz-Institut, sowie die Universitäten in Bremen, Hamburg und Frankfurt am Main.
„Bumm-Bumm-Klapötke“ und sein Sprengstofflager in der LMU
Einer der renommiertesten Forschungsbeauftragten ist Sprengkopfkönig Thomas Klapötke, Professor für anorganische Chemie an der LMU. Seine Leidenschaft für hochexplosive Substanzen trug ihm unter den Studenten den Spitznamen „Bumm-Bumm-Klapötke“ ein. Der Professor und sein aus 30 Mitarbeitern bestehendes Team arbeiten seit mehreren Jahren in ihrem Labor in Großhadern an einer 'grünen Bombe', einem umweltfreundlicheren und effizienteren Sprengstoff. Sie soll einen erfolgreicheren und saubereren Einsatz ermöglichen und damit Menschen gezielter töten.
Das Projekt ist schon lange besonders bei Universitätskollegen umstritten, die seine Arbeit als moralisch verwerflich beurteilen. Er selbst sieht keine Bedenken bei der Entwicklung seiner 'grünen Bombe', er finde es eher „unmoralisch, der Armee nicht mit der besten Ausrüstung zu helfen“. Außerdem garantiere er eine sicherere Handhabung des Materials und würde demnach zur Vermeidung von Unfällen und der Reduzierung des Kollateralschadens beitragen.
Das Dilemma der Forschungsfreiheit
Am Fall von Prof. Dr. Thomas Klapötke wird das moralische Dilemma ersichtlich, in dem sich die Hochschulen befinden. Dass Forschungsprojekte mithilfe externer finanzieller Förderung, sogenannter Drittmittel, unterstützt werden, ist Gang und Gebe. Ob damit ausgerechnet militärische Forschungsprojekte durch das amerikanische Verteidigungsministerium unterstützt werden müssen, erscheint fraglich.
Wissenschaftler beharren auf der Forschungsfreiheit, die nur durch ein sparsames gesetzliches Korsett eingeschränkt ist, argumentiert Dr. Unger, Pressesprecher des bayrischen Kultusministeriums im Gespräch mit M94.5. Außerdem müssten Hochschulen ihre Forschungsprojekte und -schwerpunkte dem Staat nicht mitteilen, nur der Hochschulleiter selbst hat eine Kontrollfunktion inne. Swen Schulz, hochschulpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, fordert deshalb, dass die Öffentlichkeit über die Herkunft von Drittmitteln ihrer Universitäten unterrichtet werden müsse.
Viele Hochschulen bestehen darauf, mit der amerikanischen Geldspritze lediglich Grundlagenforschung zu betreiben. So zum Beispiel die Universität des Saarlandes, die die mathematische Verarbeitung von Sprachstrukturen erforscht. Die entwickelten Sprachmodelle könnten allerdings auch in die Entwicklung von Abhörtechnologie fließen. Solche als Grundlagenforschung deklarierten Projekte sind oft auch militärisch einsetzbar, Fachleute sprechen hier von 'dual use'. Ein solcher Fall liegt auch beim Forschungsprojekt der Universität in Frankfurt am Main vor, das sich Erdbeben im Iran widmet. Ihre Ergebnisse können genauso gut der Erkennung von Atombombentests dienen. Besonders prekär ist die Situation an Hochschulen wie der Universität Bremen, die die sogenannte Zivilklausel unterzeichnet haben und sich damit verpflichten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Ob das Satellitenprojekt der Bremer Hochschule unter diese Kategorie fällt, ist umstritten.