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Mutmaßlicher Mörder ohne Prozess

Autor(en): Dena Brunner am Dienstag, 21. Juni 2011
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Der kroatische Ex-Chef der Ustascha ist trotz Anklage ohne Prozess davongekommen. Am 14. Juni starb Milivoj Asner in Klagenfurt, wie der Leiter seines Pflegeheims nun bestätigte.


Gerechtigkeit siegt nicht immer. Für jeden Menschen mit einem intakten Gerechtigkeitssinn wird es wohl nicht nachvollziehbar sein, dass der ehemaliger Chef der Ustascha, - der 1928 gegründeten, faschistischen Bewegung aus Kroatien - der als mutmaßlicher Beteiligter an Deportationen und Vertreibungen von hunderten Serben und Juden galt, ohne eine gerechte Strafe aus dem Leben geschieden ist.

Am 14. Juni verstarb Asner in einem Kärntner Pflegeheim der Caritas, wie nun bekannt geworden ist.

Der 98-jährige war wahrscheinlich zwischen 1941 und 1945 als Handlanger von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien für Gräueltaten und Massenmorde in Kroatien verantwortlich. 1945 flüchtete der Kroate nach Österreich. Hier nannte er sich Georg Aschner und lebte als österreichischer Staatsbürger in Kärnten.

Als Kroatien Anfang der Neunziger Jahre die staatliche Unabhängigkeit wiedergewonnen hatte, kehrte er in sein Heimatland zurück und beantragte die kroatische Staatsbürgerschaft. Weil aber dort 2004 eine Anklage gegen ihn erhoben wurde, floh er zurück nach Klagenfurt.

Ein Jahr darauf, als Asner immer noch unbelangt in Kärnten lebte, leitete auch die österreichische Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Völkermord gegen ihn ein.

Die Justiz rechtfertigte den späten Prozessbeginn damit, dass die Archive mit den Kriegsakten erst in den späten 1990er Jahren geöffnet worden seien.  Asner hatte Glück: Das Verfahren der österreichischen Justiz gegen ihn wurde eingestellt, weil Gutachter ihn als nicht vernehmungsfähig eingeschätzt hatten, die Diagnose der Gutachter lautete: „schwere Demenz“.

An dieser Feststellung bestehen aber Zweifel. Ein britischer Journalist hatte den mutmaßlichen Kriegsverbrecher nämlich im Juni 2008 „geistig klar“ während der Fußball-Europameisterschaften in der Klagenfurter Fanzone entdeckt. Außerdem äußerte er sich in einem Interview mit dem ORF-Report im selben Jahr ohne auffallende Denk- oder Gedächtnisstörungen. Der Journalist Gerhard Tuschla, der Asner zu seiner Vergangenheit befragt hatte, sagt, der damals 95-jährige habe jede Frage verstanden und seine Antworten seien klar und deutlich gewesen. Tuschla hatte für eine Reportage an der er arbeitete Asners Vergangenheit fokussiert. Asner hatte  sämtliche Vorwürfe aber zurückgewiesen.

John Demjanjuk, der im SS-Außenlager ausgebildet wurde und zunächst im KZ im polnischen Majdanek aktiv mitarbeitete, hat trotz ähnlich faschistischen Ideologien ein anderes Schicksal als Asner. Der Ukrainer fungierte in den Vierzigerjahren als KZ-Aufseher und war mutmaßlicher Helfer beim Mord an 29.000 Menschen im Vernichtungslager Sobibor. Als der zweite Weltkrieg beendet war, floh er mit seiner Familie in die USA und änderte seinen ursprünglichen Vornamen von Iwan zu John.

2009 wurde er aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland ausgeliefert und befand sich bis zum 12. Mai diesen Jahres in Untersuchungshaft. Das Münchner Landgericht hat ihn am selben Tag wegen Beihilfe zum tausendfachen Mord, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, allerdings ist dieses Urteil noch nicht rechtskräftig.

Das ist Milivoj Asner erspart geblieben. Efraim Zuroff, Leiter des Jerusalemer Wiesenthal-Zentrums, ist entzürnt, dass Asner, der auf der Liste des Wiesenthal-Zentrums auf Platz zwei der meistgesuchten Verbrecher stand, als einer der letzten großen Kriegsverbrecher keine gerechte Strafe bekommen hat. Zuroff hat nun öffentlich die österreichische Justiz angegriffen: Das Land sei ein „Paradies für Nazis“.

Fragwürdig scheint auch Asners Verhältnis zum verstorbenen rechtspopulistischen Politiker Jörg Haider zu sein, der bis zu seinem Tod Landeshauptmann von Kärnten war. Dieser äußerte sich 2008 öffentlich gegen die Abschiebung Asners: „Er soll seinen Lebensabend bei uns verbringen dürfen.“ Der Kroate sei „seit Jahren ein Klagenfurter Bürger, der friedlich bei uns lebt.“

Friedlich dürfte auch der Tod des 98-jährigen gewesen sein. Ohne Prozess, ohne einen langen Gefängnisaufenthalt und vor allem ohne den aufgedrückten Stempel als offizieller Kriegsverbrecher.

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