Home > Sport > Der Dennis-Schröder-Irrsinn
Basketball-Tagebuch

Der Dennis-Schröder-Irrsinn

Autor(en): Christopher Meltzer am Donnerstag, 10. September 2015
Tags: , , , ,
Quelle: FIBA

Auf dem Spielfeld teilt er aus, in Basketball-Deutschland muss er einstecken: Dennis Schröder.

Zur EuroBasket versammelt sich die Basketball-Elite in Berlin. Wir packen den Statistikbogen weg - und das Tagebuch aus. Ausgabe vier: Dennis Schröder.

Als Basketball-Bundestrainer Chris Fleming den finalen Spielzug auf seine Taktiktafel kritzelte, hatte sich jeder der 13.000 Zuschauer in der Berliner Mercedes-Benz Arena schon längst erhoben. Augenblicke später schlugen sie alle aber die Hände über dem Kopf zusammen, fluchten und stürzten sich wildgestikulierend in Diskussionen. Fleming hatte sich entschlossen. Der 21-jährige Dennis Schröder sollte das Vorrundenspiel gegen Italien entscheiden. Weil sein Wurf aber nicht durch den Ring flutschte, rutschte Deutschland in die Verlängerung – und verlor.

„Wieso gibt er den Ball nicht zu Dirk, verdammte Scheiße“

Die Fans reagierten erzürnt. „Wieso gibt er den Ball nicht zu Dirk, verdammte Scheiße“, brüllte ein Fan direkt hinter mir, wofür er anerkennende Schulterklopfer von rechts und links erntete. Was in der Halle ins Rollen kam, gipfelte natürlich auf Twitter, wo Dennis-Schröder-Bashing meine Timeline sprengte. Das Sportportal „Spox.com“ kürte den deutschen Spielmacher gar zum „Flop des Spiels“.

Blödsinn! „Dennis war fantastisch heute“, lobte Dirk Nowitzki. „Unser Plan war, dass er die Italiener attackieren und über das Feld verteidigen muss. Das hat er großartig gemacht.“ Was Nowitzki angestoßen hatte, führte Center Tibor Pleiß fort: „Dennis war fantastisch, er war nicht zu stoppen.“ Schröders Arbeitsnachweis: 29 Punkte, sieben Vorlagen und vier Rebounds. Ohne den pfeilschnellen Aufbauspieler hätte Deutschland nicht den Hauch einer Chance gehabt – und zwar nicht nur im Italien-Spiel.

Rechnet man seinen Auftritt gegen die Türkei raus, rockt Schröder die EuroBasket. Wenn der Point Guard der Atlanta Hawks den Turbo zündet, flitzt er oft mühelos durch die Abwehrreihen. Schröders Antritt führt dazu, dass Defensiven kollabieren und freie Würfe entstehen. Die deutsche Strategie verlangt regelmäßig, dass der Ball in seinen Händen klebt, ehe er eine Lösung findet. Freilich macht der Braunschweiger dabei noch Fehler. Manchmal auch ein paar Fehler zu viel. Das kommt nunmal vor, wenn man die komplizierteste Position im Basketball ausfüllen muss.

Schröder leistet, was Nowitzki nicht mehr leisten kann

Dennoch: Schröder hievt das deutsche Spiel auf ein anderes Level. Eine Qualität, die Nowitzki derzeit nur bedingt besitzt. Zwar saugt er alleine durch seine Präsenz Verteidiger an und schafft so Platz für Schröders spektakuläre Sturmläufe (Fachbegriff: Spacing). Aber Nowitzki ist inzwischen 37. Er hat abgebaut.

Der Grund, warum Schröder trotzdem schnell in Ungnade fällt, ist sein selbstbewusstes Auftreten, was ihm gerne als Arroganz ausgelegt wird. Da ist vielleicht auch etwas dran. Aber ist Selbstbewusstsein nicht die Eigenschaft, die man von einem Führungsspieler erwartet?

Als Deutschland am Mittwoch 20 Sekunden vor dem Ende gegen Italien mit drei Punkten führte, wies Chris Fleming seine Mannschaft an, zu foulen, um den Dreipunktewurf zu vermeiden. In Europa ist das keine ungewöhnliche Vorgehensweise. Der Plan ging jedoch schief, Italien rettete sich in die Verlängerung. Schröder widerstrebte diese Taktik. „Ich habe dem Coach abgeraten, kurz vor Schluss absichtlich zu foulen“, sagt er: „Das war nicht smart.“

Lahm rüffelte die Bayern - und landete in drei Champions-League-Finals

Wieder war der Twitter-Aufschrei groß. Schröder kritisiert den Bundestrainer öffentlich – ein Skandal! Ich sehe das anders. Zeichnet es einen Führungsspieler nicht aus, Haltung zu kontroversen Themen – und die Frage des Foulens gehört definitiv dazu – einzunehmen?

Auch wenn der Vergleich etwas hinkt: 2009 rüffelte Philipp Lahm Bayern München in der „Süddeutschen Zeitung“, weil ihm Transferpolitik und Spielphilosophie nicht passten. Der Verein brummte seinem Spieler über 50.000 Euro Strafe auf. Vier Jahre später führte er die Bayern als Kapitän zum Champions-League-Triumph.

Ein Versuch verbleibt den deutschen Basketballern noch, um das Vorrunden-Aus in Berlin abzuwenden. Dazu müssen sie allerdings den europäischen Giganten Spanien schlagen. Das klappt nur, wenn Schröder so richtig aufdreht. Es wäre auch die Chance für Basketball-Deutschland, sich vor Dennis Schröders Leistung zu erheben.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

mehr
M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
M218 LMU Hauptgebäude
 
Munich Rocks!
Donnerstag, 18. Oktober 2018
 
Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
Neuhauser Musiknacht
Samstag, 27. Oktober 2018
M94.5 Bühne @ Freiheizhalle

 

mehr
M94.5 auf Youtube

Der M94.5-Newsletter
Du willst regelmäßig News von M94.5? Dann musst nur deine E-Mail-Adresse angeben! Keine Angst, wir spamen deinen Posteingang auch nicht voll.
 
 
Die afk Familie