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Eishockey

Zeit, zu gewinnen

Autor(en): Christopher Meltzer am Samstag, 12. März 2016
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Quelle: GEPA pitures/Mathias Mandl

Für den EHC Red Bull München und Trainer Don Jackson zählt nur der Titel.

Aufgeputscht von Red Bull startet der EHC München als Favorit in die Playoffs. Für Verein und Geldgeber zählt nur der Titel. Bisher ging das mächtig schief.

Es gehört zur Faszination des Eishockeys, dass die Zuschauer sich schon auf dem Weg zum Spiel bewusst sind, mindestens ein Tor bejubeln zu dürfen oder eben verfluchen zu müssen. Das passiert mal früher, mal später, und im hartnäckigsten Fall erst im Penalty-Contest. Ein Hauch von Spektakel ist aber garantiert. In 52 Ligaspielen sind dem EHC Red Bull München in dieser Saison 160 Treffer geglückt, etwas mehr als drei pro Partie. Auftritte ohne ein eigenes Torerlebnis sind zur Seltenheit verkommen.

Spektakel mit Erfolg zu verknüpfen, ist Red Bulls Spezialdisziplin

Vor ziemlich genau einem Jahr ist das den Münchnern aber gleich zweimal in vier Spielen passiert. Dumm nur, dass dieser Aussetzer den Kufenkünstlern im Viertelfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) unterlief. Wolfsburg durchkreuzte damals die ambitionierten Pläne des EHC auf die demütigendste Weise, die das Playoffsystem vorsieht: mit einem Sweep. Trotzdem erklärte EHC-Verteidiger Florian Kettemer hinterher im M94.5-Interview: „Es ist hier alles gegeben für den maximalen Erfolg." Nur: München traf das Tor einfach nicht. Die Serie entglitt in die Langeweile.

Rechtzeitig zum Playoff-Start wieder fit: Verteidiger Florian Kettemer. (Foto: GEPA pictures/ Florian Ertl)

Eine größere Beleidigung kann man einem Red-Bull-Produkt nicht an den Kopf werfen. Das Draufgänger-Unternehmen aus Österreich, das den EHC München 2013 einverleibte, tut alles, um nicht langweilig zu sein. Fernab des Mainstreams hat Red Bull dafür seine eigene Sportwelt kreiert. Beim „Air Race“ fegen Piloten mit ihren Fliegern zwischen Hindernissen hindurch. Bei den „X-Fighters“ jagen Freestyle-Motorcrossfahrer ihre Maschinen in Stierkampfarenen über Rampen. Beim „Crashed Ice“ stürzen sich Männer und Frauen auf Schlittschuhen einen Eiskanal hinunter.

Um sich diese Spektakel leisten zu können, pumpt der Konzern dem Vernehmen nach ein Drittel seines Multi-Milliarden-Umsatzes in Marketing und eben Sport. Nicht langweilig zu sein, ist nicht billig.

Spektakel mit Erfolg zu verknüpfen, gehört seit jeher zu Red Bulls Spezialdisziplin. So hat sich der Brausekonzern seine eigenen Kosmos geschaffen, in den kommerziellen Sportarten ist das aber kein Selbstläufer. Der EHC München liefert dabei das beste Beispiel.

Red Bulls Geldspeicher ist groß, die Geduld nicht

Red Bulls Visionäre glaubten schon im ersten Jahr nach der Klubübernahme neue Maßstäbe in der DEL setzen zu können, als sie nicht nur einen namhaften Kader zusammenstellten, sondern an dessen Spitze Pierre Pagé setzten. Ein Mann, auf den ersten Blick wie gemacht für die Red-Bull-Formel: Spektakel plus Erfolg. Denn Pagé, der verrückte Professor unter den Eishockey-Trainern, experimentierte mit dem aufregenden Konzepts des positionslosen Spiels. Doch der Versuch endete im Chaos. In den Pre-Playoffs scheiterte der EHC an Ingolstadt, Red Bull zog seinen Trainer aus München ab und machte ihn zum unternehmensinternen „Global Sports Director Hockey". Pagé wurde wegbefördert.

Pierre Pagé hat sich als Trainer in München verexperimentiert. (Foto: GEPA pictures/Mathias Mandl)

Auf der Jagd nach Spektakel und Erfolg zögert das Unternehmen nicht, drastisch einzugreifen. Der Geldspeicher ist groß, die Geduld nicht. Auch das ist eine Wahrheit in Red Bulls Sportwelt. 2014 füllte sich der Kader des EHC München weiter mit prominenten Spielern und dem erfolgreichsten Trainer der jüngeren deutschen Eishockeygeschichte. Don Jackson passte perfekt ins Anforderungsprofil. Als Spieler holte er an der Seite der großen kanadischen Eishockey-Legende Wayne Gretzky zwei Stanley Cups, als Trainer bescherte er den Eisbären Berlin zwischen 2008 und 2013 fünf DEL-Trophäen. Erfolg und Spektakel eben.

Zeit, der ehrgeizigen Firmenzentrale Ergebnisse vorzuweisen

Jackson machte München auf Anhieb zum zweitbesten Hauptrunden-Team der Liga. Doch dann kam die Wolfsburg-Serie. Jackson geriet in die Kritik, durfte aber noch einmal Anlauf nehmen. Bisher zahlt sich das aus. Aufgeputscht durch die Red-Bull-Millionen, die auf einen DEL-Hochwert von 12,5 Millionen geschätzt werden, schnappte sich der EHC die Hauptrundenkrone, die auch die Champions-League-Teilnahme garantiert.

Der Erfolg einer Saison wird jedoch in den Playoffs definiert. Weil München sich rechtzeitig zu den finalen Wochen des Showdowns der Bestform annäherte, gibt sich die Mannschaft trotz der bescheidenen Playoff-Vergangenheit selbstbewusst. „Das sind schon Statements, die wir abgeben", sagte EHC-Toptorschütze Jason Jaffray Ende Februar. „Unsere Stärke ist, dass wir nicht von einer Angriffsreihe abhängig sind, sondern sehr schwer ausrechenbar sind. Viele Teams wollen nicht mit ihrer vierten Sturmreihe gegen die erste des Gegners spielen. Bei uns kann jede der vier Sturmreihen gegen jede Angriffsformation der Liga spielen.“

 

 

Was Jaffray sagt, klingt vielversprechend. Seit fast vier Jahren tüftelt Red Bull nun an seinem Eishockey-Projekt in München. Es ist an der Zeit, der ehrgeizigen Firmenzentrale Ergebnisse vorzuweisen. Ein überstandene Playoffrunde wäre ein Anfang, aber letztlich, und das weiß auch jeder in München, zählt nur der Titel. Eine ordentliche Portion Spektakel am besten inklusive.

Platte des Monats

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