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Der Ober-Nerd

Autor(en): Johannes Vogl am Freitag, 26. April 2013
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Quelle: Florian Falzeder (M94.5)

Hans Franke auf seiner Eisenbahn

Hans Franke ist Hacker der ersten Stunde. Er veranstaltet ein Festival für Vintage-Computer, sammelt seit den 80ern alte Rechner und baut eine Eisenbahn.

Hans Franke ist Nerd und Hacker der ersten Stunde. Er veranstaltet ein Festival für Vintage-Computer, sammelt seit den 1980ern alte Rechenmaschinen und baut eine Eisenbahn.

„Es gibt Commodore-Leute, die würden mich wahrscheinlich standrechtlich erschießen“, sagt Hans Franke und zeigt auf einen Stapel. Auf einem Postsack aus Russland blitzt etwas Goldenes aus einem Handtuch. Darüber liegen zwei Pappkartons. Franke hebt sie weg. Dann wickelt er ein Gerät aus dem Handtuch, das Liebhaber gerne Brotdose oder 64er nennen: einen Commodore 64. Den hat er auf dem Wertstoffhof gefunden, sagt er, und wedelt mit dem Computer in der Hand.

Dort wollte er eigentlich ein anderes Gerät mitnehmen. Darüber lag ein Haufen Elektroschrott. Ein paar Tastaturen hatte er bereits mit Schmackes gegen die Containerwand gedonnert. „Ist eh bloß Müll.“ Als nächstes griff er nach einem C64. „Ich wollte so richtig schauen, wie's platzt“, sagt er und spielt die Szene nach. Er holt mit dem Computer in der Hand aus. Im Halbdunkel des Containers sah er auf einmal: „Scheiße! Der ist ja gar nicht grau, der ist golden!“ Franke lacht; er hält den Arm gerade noch fest, bevor er den Computer wegschleudert.

Es ist einer der zwei- bis dreihundertfünfzig goldenen Rechner, die Commodore zum millionsten 64er heraus gegeben haben. Davon hat der 51-Jährige drei. Für Commodore-Fans eine Devotionalie – bei ihm liegt das Gerät unbeachtet rum. Denn Franke hat noch ganz andere Schätze. Eine UNIVAC aus den 1960ern zum Beispiel, so groß wie eine Einbauküche – inclusive Erweiterungsspeicher im Eck, eine Waschmaschine. Oder einen PET, den ersten Heimcomputer, den Commodore je hergestellt hat. Frankes PET trägt die Seriennummer 4. Wie viel er dafür bezahlt hat, will er nicht verraten.

Das Computeum - Ein Computer Museum

„Ich bin das, was man heute einen Nerd nennt“, sagt er. Insgesamt hat er um die 1.500 Geräte hier rumstehen, in einem Kellerraum, 600 Quadratmeter groß, hinter dem Ostbahnhof, am Gelände der Kultfabrik. Neonlicht dringt durch Fenster in den Raum, an der Decke gluckert und schmatzt es in Abflussrohren, die Luft ist warm und staubig.

Hier wollte der gebürtige Münchner ein Museum aufbauen. Den Namen hat er bereits: Computeum. Damit will er sich abheben, sowohl vom Deutschen Museum, als auch vom Computer Museum München. Er findet nämlich, dass so ein Museum nicht nur etwas für Technikfreaks sein soll. Klar, Franke selbst gehört zu dieser Zielgruppe: „Ich halte das alles, was hier steht, für so gnadenlos geil, dass es das selbst Wert wäre, nur damit die Temperatur nicht sinkt, ein paar Picassos zu verheizen, für ihren Brennwert!“

Einen Teil der Halle haben Franke und ein paar andere Technikbegeisterte bereits geweißelt. Als sie gerade die zweite Trennwand hochgezogen haben, kam die Nachricht: Es wird nicht, wie ursprünglich geplant, 2014 renoviert, sondern schon im Sommer 2013.

Jetzt sucht Franke. Er könnte zwar während der Bauarbeiten woanders auf dem Gelände unterkommen, danach auch in die renovierte Halle wieder einziehen, aber das Geld dazu hat er nicht. Seit sechs Jahren ist der gelernte Elektriker arbeitslos. Damals hat er seinen gut bezahlten Job bei Siemens gekündigt, mit hochtrabenden Plänen: Neben dem Museum wollte er auch eine Kette von 3D-Copy-Shops aufbauen. Aber er fand keinen Investor: „Weil ich kein guter Kommunikator bin, ich denke viel zu viel in Details.“

Hacker, nicht Häcker

Franke ist ein Hacker. Er spricht das deutsch aus. Bereits als Kind saß er begeistert vor dem Fernseher und hat die Lochkarten auf Papier nachgezeichnet, die er im Telekolleg des Bayerischen Rundfunks gesehen hat. Später, in den 80er Jahren, wurde aus einem Stammtisch von Computer-Enthusiasten eine Zeitschrift geboren: die „Bayrische Hackerpost, das Informationsblatt für den lebensbejahenden DFÜ-Benutzer“. DFÜ steht für Datenfernübertragung.

Ein Hacker ist für Franke nicht der Kriminelle, der in fremde Netze eindringt. Den spricht er englisch aus. Ihm geht es um den kreativen Menschen, der mit der Welt zurecht kommt. Wau Holland, Gründervater des Chaos Computer Clubs, hat das in den 80ern einmal so umschrieben: „Ein Hacker ist jemand, der mit einer Kaffeemaschine auch Suppe kochen kann.“ Chaos Computer Club und Bayrische Hackerpost standen damals in regem Austausch, die Münchner waren 1984 auf dem ersten Chaos Congress in Hamburg.

Das Vintage Computer Festival

Seine alten Freunde sieht er heute aber kaum noch, sagt Franke. Doch hin und wieder läuft man sich noch über den Weg. Bald könnte es wieder soweit sein. Dieses Wochenende veranstaltet Franke das Vintage Computer Festival in München. Ähnlich wie bei seinem Traum vom Computeum soll es dabei nicht nur um Nerds unter sich gehen. Die stehen zwar im Mittelpunkt, tauschen sich über Computer aus, präsentieren ihre Schätze, feilschen am Flohmarkt und teilen ihr Wissen in Vorträgen. Mindestens genauso wichtig sind Franke aber die Besucher.

Deswegen nimmt er, der Organisation nicht mag, es bereits zum 14. Mal auf sich, das Festival vorzubereiten. Der Hacker sieht sich dabei als Durchlauferhitzer. Zwar muss er manchmal den Leuten hinterher rennen, damit sie sich rechtzeitig anmelden, zum Beispiel als Aussteller. Aber wenn mal alle angekommen sind, ist das Festival ein Selbstläufer. Dann setzt Franke seinen schwarzen Hut auf und freut sich.

Die Eisenbahn

Im Keller seines Computeums legt er eine Autobatterie in den Sitz einer kleinen Lokomotive. Darauf setzt sich ein kräftig gebauter Mann und legt einen Hebel um. Franke fährt vor und wieder zurück, mal schneller, mal langsamer. Es surrt. Den Elektromotor hat er aus einem Rollstuhl geschraubt, die Schienen selbst gebastelt. „Ein bisschen schweißen kann ja jeder!“ Die 7 ¼ Zoll Bahn hat er sich zum Spaß gebaut, nachdem die Kündigung für Sommer 2013 kam und klar war, dass das mit dem Museum hier im Kellerraum nichts mehr werden würde.

Einige Radachsen rollen hinter der Lokomotive auf den Schienen. Daraus will er in den nächsten Wochen einen Wagen bauen, ein paar Baumstämme drauf legen; und noch mehr Schienen schweißen. Dann baut er einen Schienen-Kreis. „Weil im Sommer gibt’s hier ein Kinderfest, in der Kultfabrik.“ Spiel und Technik, für Franke gehören sie zusammen.


Bildergalerie
Franke sucht...
... und findet...
... einen Apple II Plus.
Ein güldener Commodore
UNIVAC 9200 (ultrakompakt
Franke schließt seine Lokomotive an eine Autobatterie an.
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