Basement Jazz am 18. April 2016
Propagandajazz im Dritten Reich
Jazz war bei den Nazis zwar verpönt, es gab ihn aber trotzdem. Speziell in einem Programm, das die Alliierten beeinflussen sollte - mit guter Laune und Texten gegen "den Feind".
Dass Jazz während der Nazizeit zu den ungeliebten Kunstformen zählte ist bekannt. Manchmal sieht man auch ein Bild, auf dem "Swingtanzen verboten" steht, allerdings stammt dieses Plakat von einer Compilation aus den 70ern - es ist also nicht authentisch. In den Kriegsjahren selbst hatten es Jazzliebhaber und Musiker in Deutschland aber doch schwer. Denn Jazz war die Musik der Amerikaner, der Schwarzen, der Juden - schlichtweg die Musik des Feinds und von "Rassen", die nach der Nazi-Ideologie nichts galten.
Musikalische Propaganda statt Fronteinsatz
Ab 21 Uhr geht es um die fast unbekannte Geschichte von Charlie and his Orchestra - einer Bigband mit Sänger und Namensgeber Karl Schwedler, die direkt Joseph Goebbels unterstellt war. Ein Propagandaorchester, das für die deutschen Auslandsprogramme Schlager der Zeit spielte, sehr virtuos und sehr amerikanisch. Innerhalb Deutschlands wusste so gut wie niemand davon, dass es Musiker gab, die mehrmals Einberufungsbescheide zerreißen konnten, weil ihre Arbeit als kriegswichtig und sie damit als "unabkömmlich" gegolten haben.
"Let's go Bombing"
Es ging aber nicht bloß darum, zur Tarnung gut gelaunte Musik zu spielen, während die Familien im Vereinigten Königreich am Radio warteten, ob ihre Väter in Kriegsgefangenschaft interviewt werden. Das besondere an Charlie and his Orchestra sind die Texte, die meist radikal verändert wurden: Gesungen wurde gegen den britischen Premier, gegen Juden, Russen, Schwarze - und von angeblichen deutschen Kriegserfolgen. Aus Slumming on Park Avenue etwa wurde "Let's go Bombing".
Im Mai 2015 gab es einen Konzertabend an der Münchner Hochschule für Musik und Theater (Link zum Programm mit Propagandatexten), der dieses Thema musikalisch und historisch aufbereitet hat. Wir haben mit Organisatoren und Studenten gesprochen und Musik mitgebracht - Von der Bigband des Jazzinstituts und Originalaufnahmen von "Charlie and his Orchestra".
Abgefahrene Sounds von heute = Jazz?
Als Erholung von der ersten Stunde gibt es ab etwa 22 Uhr ein paar neue CDs zu hören. Junge europäische Künstler zeigen, wo 70 Jahre nach Kriegsende der Jazz steht, oder experimentelle Musik im Allgemeinen. Den Anfang macht Matthew Collings' Requiem for Edward Snowden, die Tonspur einer Multimedia-Performance. Seit Freitag gibt's "Of Monsters and Birds" der Münchner Wahnsinns-Indie-Bigband von Monika Roscher und ein Free-Impro-Trio mit Stimme, Holz und Tasten: Almut Kühne, Gebhard Ullmann und Achim Kaufmann.
Moderation: Kristin Ofer, Xaver Scheffer und Martin Bürkl
Die Stunde von 21-22 Uhr ist eine Wiederholung vom Mai 2015.