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München leuchtet – das wusste schon Thomas Mann. Wir wissen allerdings – München leuchtet nicht nur, München klingt auch. Dieser Tage ganz besonders eindrucksvoll. Und weil das eben so ist, hat sich die M94.5 Musikredaktion nicht auf eine Platte des Monats festgelegt. Stattdessen gibt es ein Münchner Paket: Angela Aux und Joasihno sind unsere Platten des Monats Mai!
Akustische Gitarre, elektrische Gitarre, Glockenspiel, Akkordeon, Bottleneck, Hip-Hop Beat, Loop, Rap, Gesangsmelodie und Sprachfetzen.
Man könnte dafür natürlich mal wieder einen völlig neuen, total innovativen Genrenamen erfinden. Oder man macht es wie Angela Aux. Man presst all diese Elemente auf Platte und nennt sein Debütalbum schlicht „Whatever You Guess It's Not“. Und lässt den Namen für sich sprechen.
Und so ruft das Debütalbum von Angela Aux alias Florian Kreier beim Hörer die verschiedensten Assoziationen hervor. Ein Album, das sich, ähnlich wie schon Kreiers Bandprojekt L´egojazz, nicht auf einen Charakterzug herunterbrechen lässt. Und gerade das ist ja auch das Spannende daran. Das Ganze wird dadurch vielschichtig und ein wenig verwirrend zugleich.Verwirrend, da jedes Instrument von Angela Aux selbst eingespielt wurde. (Nur auf drei Liedern spielen zwei andere Musiker mit: einmal The Marble Man, zweimal Joasihno). Und so fehlt ja jedem einzelnen Instrument eigentlich der speziell individuelle Klang, den es erst durch seine individuellen Spieler verliehen bekommt. Täuschen lassen darf man sich davon allerdings nicht, denn was Florian Kreier auf „Whatever You Guess It's Not“ musikalisch abliefert, ist großes Kino.
Ein Aspekt des Albums, der sich bewusst in den Vordergund spielt, wäre wohl mit dem Wort Ernsthaftigkeit ganz gut getroffen. Zwar wirken die Songs durch die verschiedensten Instrumente, Beats und Gesangstypen ziemlich spielerisch, mit einem Schuss Kindlichkeit, aber das Ganze überlagert sich mit der meist stark reflektierend wirkenden Stimmung auf dem Album.
Und das Spielerische ist der „linking part“ zu Joasihno.
One-way-ticket Island Afrika. Mit Zwischenstop in München. Ohne Umschweife. So zumindest könnte die musikalische Kurzformel lauten, auf die sich das Debüt-Album von Joasihno reduzieren ließe. Und im Grunde genommen wäre damit alles gesagt – und gleichzeitig diese 45-minütigen Klangreise nicht mal im Ansatz erfasst.
Christoph Beck, wie Joasihno im richtigen Leben heißt (aber was ist schon das „richtige Leben“, wenn man als Hörer in derartige, amorphe Klangwelten entführt wird??!!) stammt aus einem kleinen oberbayerischen Dorf. Von dort verschlägt es ihn in das große westfälische Dorf Münster, wo er sich an der Musikhochschule zum klassischen Schlagzeuger ausbilden lässt. Zurück in München stellt er sein Talent und das Erlernte unter anderem in den Dienst der Münchner Band „Missent to Denmark“. Womit sich der Kreis auch beinahe schon schließt, denn Dänemark ist bekanntlich ein Teil von Skandinavien. Genauso wie Island.
Und genau daher stammt unüberhörbar die musikalische Inspiration für „We say: Oh well“. Zumindest zu großen Teilen. Auf seinem Debüt wandelt Joasihno auf den Spuren von isländischen Musikern wie Sigur Rós, Múm oder Seabear. Musikalische Anleihen sind dabei keineswegs zufällig, sondern bewusst gewählt. Ähnlich wie Sigur Rós kreiert Joasihno elegisch, bisweilen schwermütig vor sich hinwuppernde Klangcollagen. Dabei entstehen traumhafte Kompositionen, die gleichzeitig durch ihren Minimalismus wie durch ihren Facettenreichtum begeistern. Und zugleich schimmert bei Joasihno immer die Freude am Komponieren durch, wenn verschmitzt das Glockenspiel a lá Psapp aufblitzt. Oder wenn Joasihnos fragile Stimme sparsam eingesetzt wird.
So entsteht auf 13 Songs eine homogene Klangwolke, in die man sich getrost hinein sinken lassen kann, denn man weiß: auch wenn ich den Boden unter den Füßen verliere, bin ich hier gut aufgehoben. Ein Album für Träumer, vielleicht für melancholische Träumer.
Wer jetzt Joasihno voreilig vorwirft, mit seiner Island Verehrung nur die wohlbekannten, längst ausgetrampelten Pfade neu auszuloten, der tut diesem sehr starken Debüt unrecht. Und das aus zweierlei Grund. Denn erstens gehen Stücke wie Secret Eye oder Excited weit über das Recyclen vom rós-esquen Sound hinaus. Und zweitens erweitert Joasihno sein isländisches Klangrepertoire um eine entscheidende Komponente, die „ We say: Oh well“ einen fundamentale Volte verleiht: afrikanische Rhythmen.
So legen sich bisweilen treibende Percussionsounds unter Melodieläufe und verleihen dadurch Stücken eine ganz neue Tiefenschärfe. Es sind eben diese Rhythmen, die einen herrlichen Kontrapunkt zu den oft naiv verspielten und vor sich hinzwitschernden Melodien bilden. Und damit auch ganz nebenbei das Credo dieser Platte aufgreifen und widerspiegeln.
Reißt musikalische Mauern ein, verwischt Genre-Grenzen!
Das Ergebnis: ein nahezu hegelianisches Debüt, eine klangliche Symbiose erschaffen aus These und (vermeintlicher) Antithese.
Ja ja, der Satz ist abgedroschen. Aber mit „We say:oh well“ gelingt es Joasihno tatsächlich, den Hörer auf eine Reise mitzunehmen. Sie führt in Sphären, die nicht zwangsläufig neu sind. Aber das müssen sie auch gar nicht, denn so konsequent und einfallsreich wie Joasihno Türen in eben diese Sphären aufstößt, ist es dem Hörer im Grunde egal, ob man das so oder so ähnlich schon mal wo anders gehört hat.
Angela Aux und Joasihno - unsere Platten des Monats Mai. Zwei fantastische Alben, die vor Spielfreude und Ideenreichtum nur so sprühen. Und zugleich Zeugnis sind für die pulsierende Musikszene Münchens, die derzeit mit einer großartigen Palette an kreativem Output punkten kann! Und die derzeit mit Red Can Records (Angela Aux) und Kyr Records (Joasihno) eine musikalische Plattform vorfindet, die Experimentierfreudigkeit beweist und dabei die synergetischen Effekte grandios nutzt.